Bei Auffahrunfällen spreche zwar der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden. Nicht aber, wenn ein anderes Fahrzeug vorausgefahren ist und unmittelbar vor dem Unfall die Fahrspur gewechselt hat. Hier spricht der Anschein für eine Missachtung der Sorgfaltspflicht des Spurwechslers.

Wie aus dem Sachverhalt des Urteils (Az. 331 C 28375/12) hervorgeht, kam es in München zwischen einem PKW und einem Reisebus zu einem Verkehrsunfall. Der PKW befand sich auf der linken Spur und wechselte bei der Fahrbahnverengung auf die rechte Spur. Dort befand sich der Bus, der auf den PKW auffuhr. Der Halter des PKW verlangt nun den Schaden vom der Versicherung des Reisebusses ersetzt.

Das Urteil des Amtsgerichts München (Az. 331 C 28375/12)

Die Richterin wies die Klage ab. Bei Unfällen durch Auffahren spreche zwar der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden. Dieser erste Anschein werde aber dann erschüttert, wenn derjenige, der aufgefahren ist, einen atypischen Verlauf darlegt und auch beweisen kann, so dass die Verschuldensfrage in einem anderen Licht erscheint. Erforderlich sei der Nachweis, dass ein Fahrzeug vorausgefahren ist, welches erst unmittelbar vor dem Unfall die Fahrspur gewechselt hat und dadurch dem Nachfahrenden ein Ausweichen nicht mehr möglich war oder erheblich erschwert war.

Missachtung der Sorgfaltspflicht beim Fahrspurwechsel

Bei einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Fahrspurwechsel spricht der Anschein für eine Missachtung der Sorgfaltspflicht. Gemäß § 7 Abs. 5 StVO verlangt jeder Fahrstreifenwechsel die Einhaltung äußerster Sorgfalt, so dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen ist. Ereignet sich die Kollision zweier Fahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Verkehrsteilnehmers, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass dieser den Unfall unter Verstoß gegen die vorgenannten Pflichten verursacht und verschuldet hat.

Demnach haftet der Vorausfahrende bei einem sorgfaltswidrigen Fahrstreifenwechsel wegen der gemäß § 7 Abs. 5 StVO zu beachtenden höchst möglichen Sorgfalt in der Regel für die Unfallschäden alleine.

Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 01.10.2013 - 331 C 28375/12

AG München, PM 12/14
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