Nach Urteil des AG München ist beim Ausparken der Einfahrvorgang in den fließenden Verkehr erst abgeschlossen, wenn eine Strecke von 30 Metern mit angepasster Geschwindigkeit fahrbahnparallel zurückgelegt wurde. Kommt es vorher zur Kollision, spricht der erste Anschein für das Verschulden des Einfahrenden.

Der Sachverhalt

Anfang Januar 2011 parkte eine Münchnerin ihren VW Touran am rechten Fahrbahnrand in München. Als sie einige Zeit später ausparkte, näherte sich von hinten ein Taxi. Es kam zum Zusammenstoß, wodurch der VW vorne links beschädigt wurde.

Die veranschlagten Reparaturkosten betrugen 1858 Euro. Diese Kosten wollte die VW-Fahrerin vom Taxibesitzer ersetzt bekommen. Dieser weigerte sich jedoch zu zahlen. Schließlich sei er nicht schuld an dem Unfall. Die VW-Fahrerin sei plötzlich aus der Parklücke herausgefahren. Er habe zwar noch nach links gelenkt, aber den Zusammenstoß nicht vermeiden können. Das stimme so nicht, so die Fahrerin des VW Touran. Sie sei bereits wieder auf der Straße gewesen, als der Taxifahrer sie überholt und dabei gestreift habe.

Die Entscheidung

Gegen die VW-Fahrerin spreche § 10 der Straßenverkehrsordnung. Nach dieser Vorschrift habe sich derjenige, der vom Fahrbahnrand anfahren wolle, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Geschehe im Zusammenhang mit einem Ausparken ein Verkehrsunfall spreche daher zunächst der erste Anschein für ein Verschulden des Ausparkenden.

Diesen ersten Anschein habe die Klägerin nicht erschüttern können. Dies wäre dann der Fall, wenn die Klägerin nachweisen hätte können, dass sie sich mit ihrem Fahrzeug bereits vollständig im fließenden Verkehr befunden habe, was lediglich dann der Fall gewesen wäre, wenn sie bereits eine Strecke von 30 Metern mit angepasster Geschwindigkeit fahrbahnparallel zurückgelegt hätte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei aber davon auszugehen, dass sich die Kollision kurz nach dem Einfahren in die Straße ereignet habe. Die VW-Fahrerin habe daher den Schaden selbst zu tragen.

Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 25.01.2013 - 344 C 8222/11

Exkurs: Der Wortlaut des § 10 der Straßenverkehrsordnung (StVO)

Wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen. Die Absicht einzufahren oder anzufahren ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen.

AG München, PM Nr. 36/13
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