Nimmt ein Kraftfahrer an einer Beratungsmaßnahme bei einem Drogentherapeuten und einer MPU teil und erlangt dadurch wieder die Fahrerlaubnis, kann diese erneut entzogen werden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Therapiebescheinigungen wahrheitswidrig ausgestellt worden sind.

Leitsatz

Einem Kraftfahrer, dem nach Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsums und "erfolgreicher" Teilnahme an einer Beratungsmaßnahme bei einem Drogentherapeuten sowie Vorlage eines positiven medizinischen Gutachtens die Fahrerlaubnis wiedererteilt wurde, kann diese erneut entzogen werden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Therapiebescheinigungen wahrheitswidrig ausgestellt worden sind.

Der Sachverhalt

Dem Antragsteller war von der Antragsgegnerin, der Kreisverwaltung Germersheim, mit Bescheid vom 30. Juli 2010 die Fahrerlaubnis der Klasse B nebst Einschlussklassen entzogen worden. Dem lag ein für den Antragsteller negatives medizinisch-psychologisches Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung zugrunde, welches eingeholt worden war, nachdem der Antragsteller im Januar 2010 nach dem Konsum von Amphetamin als Kraftfahrer am Straßenverkehr teilgenommen hatte. Das Gutachten enthielt die Empfehlung an den Antragsteller, vor einer weiteren medizinisch-psychologischen Untersuchung an einer Beratungsmaßnahme bei einer Drogenberatungsstelle oder einem niedergelassenen Therapeuten teilzunehmen.

Erste MPU negativ, zweite MPU positiv

Der Antragsteller unterzog sich im Frühjahr 2012 einer neuen medizinisch-psychologischen Untersuchung und legte dabei mehrere Therapiebescheinigungen vor, die bestätigten, dass er erfolgreich an einer psychotherapeutischen Behandlung sowie an einer Hauskreisgruppe ("Nüchterner Weg") teilgenommen hatte. Daraufhin fiel das medizinisch-psychologische Gutachten für den Antragsteller positiv aus und die Antragsgegnerin erteilte ihm im April 2012 wieder die Fahrerlaubnis.

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen ein Ehepaar aus Baden-Württemberg kam heraus, dass der Antragsteller Kontakt zu diesen beiden Personen aufgenommen hatte, um sich auf die bevorstehende medizinisch-psychologische Untersuchung vorbereiten zu lassen.

Falsche Therapiebescheinigungen führen zum positiven MPU-Ergebnis

Das Ehepaar verfasste zugunsten des Antragstellers zunächst ein "Märchen" und passte die Geschichte an die Begutachtungskriterien der psychologischen Fragestellungen bei der Begutachtung an. Nach außen agierten die Eheleute als Diplompsychotherapeuten und stellten zum Vorteil des Antragstellers Therapiebescheinigungen über insgesamt 16 psychotherapeutische Einzelsitzungen im Zeitraum August 2010 bis April 2011 sowie eine Teilnahmebescheinigung an der Selbsthilfegruppe "Nüchterner Weg" von August 2010 bis März 2012 aus.

Weder waren die Eheleute Diplompsychotherapeuten noch gab es die Praxis- und Gruppenräume, in denen angeblich die Sitzungen stattgefunden hatten. Das Paar stellte gleichartige Bescheinigungen deutschlandweit in mehreren hundert Fällen aus. Die Ehefrau gab im Ermittlungsverfahren an, sie habe die falschen Therapiebescheinigungen verfasst, weil dies zum "Business" notwendig sei und man lügen müsse, wenn man zu etwas kommen wolle.

Kreisverwaltung erlangt Kenntnis von den falschen Therapiebescheinigungen

Nachdem der Antragsgegner Kenntnis von den falschen Therapiebescheinigungen erhalten hatte, entzog er dem Antragsteller am 18. April 2013 die Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehung an. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch und suchte gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht nach.

Zur Begründung führte er aus: Ausweislich der vorgelegten Drogenscreenings habe er in der jüngeren Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt mehr Drogen konsumiert. Seit er die Fahrerlaubnis wieder besitze, sei er im Straßenverkehr nicht auffällig geworden.

Die Entscheidung

Der Eilantrag hatte keinen Erfolg. In dem Beschluss führen die Richter der 3. Kammer im Wesentlichen aus: Der Antragsteller habe nach dem Konsum von Amphetamin als Kraftfahrer am Straßenverkehr teilgenommen und sich deshalb als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Daher sei ihm im Juli 2010 die Fahrerlaubnis der Klasse B nebst Einschlussklassen entzogen worden. Für den Erwerb einer neuen Fahrerlaubnis habe der Antragsteller zum Nachweis seiner Fahreignung ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten beibringen müssen. Dies habe er zwar vorgelegt, jedoch sei das Gutachten nur aufgrund einer Täuschungshandlung des Antragstellers zu seinen Gunsten ausgefallen.

Eine positive Prognose zugunsten des Antragstellers habe eine stabile Drogenabstinenz vorausgesetzt. Diese erfordere, dass die dem Drogenkonsum zugrundeliegenden Ursachen tief greifend aufgearbeitet worden seien und eine nachvollziehbare Einstellungs- und Verhaltensänderung auf Dauer stattgefunden habe. Davon seien die Gutachter aufgrund der vorgelegten Therapiebescheinigungen zwar zunächst ausgegangen.

Die Bescheinigungen über die Teilnahme des Antragstellers an Gruppen- und Einzelsitzungen unter psychotherapeutischer Anleitung seien jedoch allesamt gefälscht gewesen. Ferner sei die Darstellung des Sachverhalts, mit dem der Antragsteller seinen Einstellungswandel im Umgang mit Drogen begründet habe, von dritter Seite erfunden worden. Deshalb sei der positiven Prognose der Gutachter eine wesentliche Grundlage entzogen worden.

Der Antragsteller habe folglich nicht den Nachweis geführt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei. Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt werden.

Gericht:
Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 03.07.2013 - 3 L 437/13.NW

VG Neustadt, PM Nr. 29/13
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