Der Sachverhalt
Zwei Fans des Vereins Borussia Dortmund besuchten im April 2014 das Bundesligaspiel gegen den FSV Mainz. Nach dem Ende des Spiels sangen sie Arm in Arm im Bereich des Vorplatzes am Nordausgang des Stadions in der Nähe einer Gruppe Mainzer Fans für die umstehenden Personen deutlich hörbar das sog. U-Bahn-Lied mit dem oben zitierten Text.
Aufgrund dieser Tat verurteile sie das Amtsgericht Dortmund wegen Volksverhetzung jeweils zu einer Geldstrafe von 5.400 Euro (90 Tagessätze zu je 60 Euro).
Die Entscheidung des OLG Hamm
Die von den Angeklagten gegen die Verurteilung eingelegte Sprungrevision ist erfolglos geblieben. Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat die amtsgerichtliche Verurteilung bestätigt.
Das Verhalten der Angeklagten stelle eine, so der Senat, gemäß § 130 Abs. 3 Strafgesetzbuch strafbare Volksverhetzung dar. Die Angeklagten hätten eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise verharmlost, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören.
Die Vorschrift des Völkerstrafgesetzbuches verbiete es, eine nationale, rassische, religiöse oder ethische Gruppe unter Lebensbedingungen zu stellen, die sie körperlich zerstören könne. Der gesungene Liedtext beziehe sich auf eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung dieser Art, er billige das Massenvernichtungsunrecht im Konzentrationslager Auschwitz. Der im Liedtext besungene Startort Jerusalem stehe als Synonym für Juden. Die Verbindung von Jerusalem und Auschwitz durch die U-Bahn als direktes Transportmittel verbildliche die Transporte der Opfer des Holocaust nach Auschwitz.
Nach dem Text solle die U-Bahn von den Sängern erst noch gebaut werden. Das stelle die Bezüge zur Vergangenheit in einen Kontext zu einem künftigen Geschehen, auf welches die Sänger hinwirken wollten. Unabhängig davon, dass ersichtlich nicht ernsthaft eine U-Bahn von Jerusalem nach Auschwitz gebaut werden solle, bringe der Text des Liedes symbolisch die Möglichkeit zum Ausdruck, dass eine Wiederholung der Transporte jüdischer Menschen an den Ort eines früheren Vernichtungslagers denkbar sei. Dadurch erscheine der Völkermord der Nationalsozialisten an den Juden in seinem Unrechtsgehalt begrenzt, mithin nicht schwerwiegend und der Gedanke einer Wiederholung als billigenswert.
Aus Sicht eines verständigen Zuhörers erscheine das als eine Verharmlosung der Verbrechen der Nationalsozialisten. Es gebe keine Begleitumstände, die das Lied in einen anderen Kontext, z.B. den einer Fanrivalität, stellen könnten. Das Lied sei zwar in der Nähe einer Gruppe Mainzer Fans gesungen worden, sein Inhalt aber nicht an diese gerichtet gewesen, Mainz sei nicht Jerusalem und Jerusalem sei am Spiel nicht beteiligt gewesen.
Das Singen des Liedes durch die Angeklagten sei geeignet gewesen, den öffentlichen Frieden zu stören. Insoweit genüge schon die konkrete Eignung. Bei der in der Liedform in die Öffentlichkeit getragenen "Judenhetze" bestehe ohne weiteres die Gefahr, dass die Botschaft der Angeklagten von Zuhörern, die diese billigten, weitergetragen werde, so dass das psychische Klima aufgeheizt und Unfrieden in der Bevölkerung erregt werde.
Das äußere Tatgeschehen lasse auf ein vorsätzliches Verhalten der Angeklagten schließen. Sie seien sich der Tragweite ihrer Äußerungen bewusst gewesen und hätten ihren Inhalt gewollt.
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 01.10.2015 - 1 RVs 66/15
Rechtsindex - Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:
Die Wahlplakate der NPD mit der Aufschrift "Geld für die Oma - statt für Sinti und Roma" sah die Stadt Gießen als menschenverachtend und volksverhetzend und hängte nach Fristsetzung die Plakate ab. Zu Unrecht, entschied das VG Gießen. Urteil lesen
Ein 34-jähriger Bauhelfer wurde wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 5000 Euro verurteilt, weil im Rahmen einer Diskussion auf einer offenen Facebook-Gruppe mit seinen Äußerungen den Holocaust in Abrede stellte bzw. bagatellisierte. Urteil lesen
Das Lied "Geschwür am After" auf dem Album "Adolf Hitler lebt!" stelle eine Leugnung des unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Holocaust dar. Die Verurteilung des Musikers aus dem Emsland wurde nun vom OLG Oldenburg bestätigt. Urteil lesen
In einer Werbung wurden den in Berlin lebenden Ausländern pauschal kriminelle Neigungen unterstellt. Das Urteil des LG Berlin gegen den ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt und den früheren Landesvorsitzenden der NPD Berlin Uwe M. wegen Volksverhetzung ist rechtskräftig. Urteil lesen