Nach Arbeitsende machte sich eine Hotelangestellte auf den Heimweg und führte währenddessen mit dem Handy ein Gespräch. Beim Überqueren eines unbeschrankten Bahnübergangs wurde sie von einer Bahn erfasst. In der Klage geht u.a. darum, ob ein Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

Der Sachverhalt

Auf dem Heimweg vom Hotel wurde die Hotelangestellte beim Überqueren eines unbeschrankten Bahnübergangs von einer Bahn erfasst. Sie erlitt dabei unter anderem Frakturen im Kopfbereich und eine Hirnblutung und befand sich deshalb in monatelanger stationärer Behandlung.

Die Berufsgenossenschaft erhielt vom zuständigen Ordnungsamt Unterlagen zum Unfallhergang. In diesen waren die Auswertungen einer Videoaufzeichnung sowie Zeugenaussagen enthalten, aus denen sich jeweils ergab, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls mit dem Handy telefoniert hatte. Daraufhin lehnte es die Beklagte ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Entscheidung

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die gegen die Berufsgenossenschaft erhobene Klage abgewiesen. Zwar sei die Klägerin als Beschäftigte auf dem Heimweg grundsätzlich gesetzlich unfallversichert gewesen. Versichert sei allerdings nur die Tätigkeit des Nachhausegehens vom Arbeitsort, nicht jedoch auch das gleichzeitige Telefonieren mit dem Handy.

Insofern liege eine sogenannte gemischte Tätigkeit vor in Form der gleichzeitigen Ausübung einer versicherten Verrichtung (Nachhausegehen) und einer unversicherten Verrichtung (Telefonieren). Ein Arbeitsunfall liege nur vor, wenn der Unfall und hierdurch der Gesundheitsschaden im Rechtssinne wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sei. Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn sich auf dem Heimweg ein allgemeines Wegerisiko verwirklicht hätte.

Demgegenüber sei ein Arbeitsunfall abzulehnen, wenn eine unversicherte Tätigkeit wie hier die wesentliche Unfallursache sei. Durch das Telefonieren sei die Wahrnehmungsfähigkeit der Klägerin im Verkehr deutlich eingeschränkt gewesen. Bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung kann es als bekannt angenommen werden, dass die Nutzung eines Telefons geeignet ist, erheblich von anderen Aktivitäten abzulenken und die Wahrnehmungsfähigkeit im Straßenverkehr einzuschränken.

Als Folge wurden nicht nur Einschränkungen der Telefonnutzung beim Auto- und Fahrradfahren gesetzlich verankert. Vielmehr wurden auch für abgelenkte Fußgänger neben schlichten Appellen (wie "Kopf hoch im Straßenverkehr") Maßnahmen in einzelnen Großstädten getestet wie unter anderem Bodenampeln an Fußgängerüberwegen. Auch vorliegend zeigen die Geschehensabläufe, dass die Klägerin erheblich durch die Nutzung des Telefons abgelenkt war. Das hierdurch begründete erhebliche Risiko habe maßgeblich zu dem Unfall geführt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Rechtsgrundlagen:
§ 8 Absatz 1 Satz 1 und 2, Absatz 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch

Gericht:
Sozialgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18.10.2018 - S 8 U 207/16

SG Frankfurt, PM
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