Arbeitsunfall? Ein Betriebsrat stürzte nach einem geselligen Abend, die im Anschluss einer Tagung folgte, mit knapp 2 Promille Alkohol im Blut auf einer Hoteltreppe. Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Zu Unrecht, entschied das SG Heilbronn.

Der Sachverhalt

Der 58jährige Betriebsrat ist bei einem internationalen Konzern mit Sitz in der Region Stuttgart tätig. Im April 2010 fand in einem Hotel in Bad Kissingen eine dreitägige Betriebsräteversammlung statt. Diese dauerte am ersten Abend bis gegen 19:30h. Mit einem Blutalkoholspiegel von 1,99 Promille stürzte er in der Nacht gegen 1:00h im Treppenhaus des Tagungshotels, wo er mit Kopf- und Lungenverletzungen bewusstlos aufgefunden und gegen 4:00h in die Notaufnahme gebracht wurde.

Anschließend war er längere Zeit arbeitsunfähig. Noch heute leidet er unter Schmerzen und Konzentrationsstörungen. Gegenüber seiner Berufsgenossenschaft (BG) gab er an, sich nicht mehr an den Unfallhergang erinnern zu können. Es sei auf der Tagung üblich, auch beim abendlichen geselligen Zusammensein unter Kollegen über betriebliche Belange zu sprechen.

Die BG lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Er habe sich zum Unfallzeitpunkt in alkoholisiertem Zustand befunden und nicht bewiesen, dass er dabei einer betrieblichen Tätigkeit nachgegangen sei. Hiergegen klagte der Betriebsrat.

Das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn (Az. S 6 U 1404/13)

Die Klage hatte Erfolg. Das Sozialgericht Heilbronn hat die Berufsgenossenschaft verpflichtet, den Sturz auf der Tagung als Arbeitsunfall anzuerkennen. So habe der Kläger beim geselligen Beisammensein auch Dienstliches besprochen. Im Übrigen habe sich der Arbeitsunfall auf dem Rückweg zum Hotelzimmer ereignet.

Dieser "Arbeitsweg" sei hier selbst dann unfallversichert, wenn der Kläger im Hotel nach "Ende des offiziellen Teils" nur private Gespräche geführt hätte. Denn bei beruflichen Tagungen sei regelmäßig eine klare Trennung zwischen privaten und betrieblichen Belangen nicht möglich.

Kein Wegfall des Versicherungschutzes

Der Versicherungsschutz sei auch nicht durch den Alkoholkonsum entfallen. So gebe es bei Fußgängern (anders als bei Autofahrern) keine feste Promillegrenze, ab der von einer absoluten Verkehrsuntüchtigkeit auszugehen sei. Die Ermittlungen der Berufsgenossenschaft hätten hier aber keinen Anhaltspunkt für konkrete alkoholbedingte Ausfallerscheinungen gezeigt (wie z.B. ein schwankender, torkelnder Schritt). Demnach sei nicht nachgewiesen, dass der Unfall auf der - dem Kläger nicht vertrauten - Hoteltreppe wesentlich auf die Alkoholisierung zurückzuführen ist.

Rechtsgrundlage:
§ 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]

Gericht:
Sozialgericht Heilbronn, Urteil vom 28.05.2014 - S 6 U 1404/13

SG Heilbronn
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