Verbessert sich nach einem Bandscheibenvorfall das Krankheitsbild zu 90 Prozent und stellt eine Reise nicht in Frage, muss die Versicherung die Stornokosten tragen, wenn nach Reisebuchung plötzlich eine Operation notwendig wird.

Der Sachverhalt


Der Kläger reiste viel mit seiner Ehefrau und schloss deshalb im Dezember 2007 eine Reiserücktrittskostenversicherung ab, die sämtliche zukünftige Reisen beinhaltete. Im Versicherungsvertrag wurde geregelt, dass kein Versicherungsschutz besteht, wenn der Versicherungsfall, also z.B. die Krankheit zum Zeitpunkt der Buchung der Reise vorhersehbar war, d.h. der Reisende mit dem Eintritt der Krankheit rechnen musste.

Ende Februar 2008 erlitt der Versicherte einen Bandscheibenvorfall. Eine Operation war jedoch nicht erforderlich. Anfang August unterzog er sich einer Spritzentherapie und nach Abschluss der Behandlung wurde ihm vom Arzt mitgeteilt, dass er weiterhin nicht operiert werden müsste und dass sich sein Krankheitsbild zu 90 Prozent gebessert hätte. Ende August buchte er schließlich für sich und seine Ehefrau für die zweite Novemberhälfte eine Reise nach Rom. Es kam wie es kommen musste und der Versicherte musste Ende Oktober dann doch an der Bandscheibe operiert werden. Er stornierte sofort die Reise und wollte die angefallenen Stornokosten von der Versicherung ersetzt bekommen.

Die Versicherung weigerte sich allerdings zu bezahlen. Seit Februar 2008 bestehe ein nicht auskurierter Bandscheibenvorfall. Deshalb hätte der Versicherte die Reise gar nicht buchen dürfen. Dieser entgegnete, dass er schließlich zwischen Februar und Oktober 2008 zahlreiche Reisen zum Skifahren, Wandern und Radfahren ohne jegliche Probleme unternommen hätte. Er habe keinerlei Anhaltspunkte gehabt, die Romreise nicht anzutreten.

Die Entscheidung

Der zuständige Richter beim Amtsgericht München gab dem Versicherten Recht und verurteilte das Versicherungsunternehmen zur Zahlung der Stornokosten:

Der Kläger sei wegen einer unerwarteten, schweren Erkrankung zum Reiseantritt nicht in der Lage gewesen. Auch eine bei Buchung der Reise vorhandene und bekannte Krankheit könne unerwartet sein, wenn zunächst mit einer Reisefähigkeit gerechnet werden konnte. Bei der Beurteilung dieser Frage dürfe der Erkrankte auf Auskünfte und Ratschläge der Ärzte vertrauen. Unerwartet bedeute nicht, dass die Erkrankung nach Reisebuchung völlig neu entstehen müsse. Auch bei einer plötzlichen Verschlechterung einer bekannten Erkrankung, die vorher die Reise nicht in Frage stellte, bestünde Versicherungsschutz.

Vorliegend habe man dem Kläger ärztlicherseits bestätigt, dass sich sein Befund zu 90 Prozent gebessert habe und dass er keine Operation benötige. Dieser habe daher mit einer Operation und der dadurch eintretenden Reiseunfähigkeit nicht rechnen müssen.

Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 20.10.10 - 262 C 11943/09 (rechtskräftig)

Anmerkung:

Das Amtsgericht München hatte in einem anderen Fall entschieden, dass ein erneuter Bandscheibenvorfall keine unerwartete Krankheit ist. Als unerwartet sei eine Erkrankung anzusehen, die nicht vorhersehbar ist, wobei es dabei auf die Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmer ankomme. Hier führten verschiedene Behandlungsmaßnahmen, u.a. auch eine Schmerzmedikation und Akupunktur dazu, dass die Versicherungsnehmerin phasenweise komplett beschwerdefrei war. Auf diese Schwankungen stellte das Gericht ab. Bestehe eine in Schwankungen und Schüben verlaufende Grunderkrankung, bei der jederzeit mit einer akuten Phase gerechnet werden müsse, sei eine solche nicht unerwartet. Die Beschwerden hätten bei unterschiedlicher Intensität neun Monate angehalten. (AG München, Urteil vom 9.4.2010, AZ 242 C 29669/09)

Quelle: AG München, Rechtsindex.de
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