Beim Sprung vor einen einfahrenden Zug ist es für den Täter in der Regel vorhersehbar, dass er beim Zugführer einen psychischen Schaden verursacht. Eine Münchnerin warf sich vor die S-Bahn, doch sie überlebte. Der Zugführer verlangt nun Schmerzensgeld.

Der Sachverhalt

Die 23-jährige beklagte Münchnerin beging einen Suizidversuch. Sie warf sich am späten Abend des 14.02.12 vor die S-Bahn. Dadurch kam es zu einem Unfall, den die Münchnerin überlebte. Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt die Triebwagenführerin. Sie erlitt aufgrund dieses Erlebnisses einen erheblichen psychischen Schock und leidet seitdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Knapp ein Monat war sie arbeitsunfähig krank.

Sie verlangt nun von der Beklagten Schmerzensgeld. Die Beklagte, die unter Betreuung steht, zahlte nicht. Sie trägt vor, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls nicht in der Lage war, frei eine Willensentscheidung zu treffen, da sie an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit gelitten habe. Die Zugführerin erhob Klage vor dem Amtsgericht München.

Das Urteil des Amtsgerichts München (Az. 122 C 4607/14)

Das Amtsgericht München (Urteil, Az. 122 C 4607/14) gab der Zugführerin Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 1500 Euro Schmerzensgeld. Das Gericht stellt fest, dass die Beklagte durch ihren Suizidversuch bei der Klägerin eine Körperverletzung verursacht hat. Die psychische Fehlverarbeitung des Unfalls durch die Zugführerin sei eine ganz typische Reaktion auf Unfälle dieser Art und durch das Ereignis ausgelöst.

Für die Beklagte sei vorhersehbar und erkennbar gewesen, dass sie bei dem Sprung vor den einfahrenden Zug bei dem Zugführer einen psychischen Schaden verursacht. Die Beklagte hat gegenüber dem Gericht die von ihr behauptete Erkrankung nicht nachgewiesen. Die Beklagte legte dem Gericht ein Schreiben des behandelnden Arztes vom 14.03.12 vor, wonach sie am 18.11.11 in einer Klinikambulanz war und stationär vom 26.01.12 bis 2.02.12 wegen selbstverletzender Verhaltensweisen (Ritzen) und einer Tablettenintoxikation in einer Klinik behandelt wurde.

Außerdem legte sie ein ärztliches Attest vom 14.0.13 vor, wonach sie an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp leidet. Obwohl sie vom Gericht darauf hingewiesen wurde, legte die Beklagte keine Nachweise dafür vor, dass sie zum Unfallzeitpunkt am 14.02.12 so sehr erkrankt war, dass sie keinen freien Entschluss fassen konnte. Daher musste das Gericht davon ausgehen, dass die Beklagte schuldhaft gehandelt hat. Das Urteil ist rechtskräftig

Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 27.06.2014 - 122 C 4607/14

AG München, PM 20/15
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