Das Asylverfahren in Ungarn leidet an systemischen Mängeln. Mit dieser Begründung hat das VG Berlin die Überstellung eines syrischen Flüchtlings in den EU-Mitgliedstaat gestoppt. Berichte belegten, dass Ungarn Asylbewerber ohne Angabe von Gründen zum Teil bis zu sechs Monate inhaftiere, ohne dass dies tatsächlich notwendig sei.

Der Sachverhalt

Nach den Regeln der sog. Dublin-III-Verordnung (Dublin-III-VO) ist für innerhalb der EU gestellte Asylanträge grundsätzlich der Mitgliedstaat zuständig, den der Flüchtling als erstes betritt bzw. in dem er zuerst um Schutz nachsucht. Flüchtlinge, die sodann in einem anderen EU-Mitgliedstaat Asyl beantragen, werden daher in der Regel an den zuständigen Staat verwiesen und können dorthin überstellt werden.

Ausnahmsweise muss aber der zweite Mitgliedstaat das Asylverfahren selbst durchführen, etwa wenn das Asylverfahren im betreffenden Mitgliedstaat an sog. systemischen Mängeln leidet. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hatte dies im Jahr 2011 für Griechenland festgestellt. Die 23. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin bejahte dies nun auch für Ungarn.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (VG 23 L 899.14)

Die Praxis von Ungarn, Asylbewerber und hier insbesondere die im Dublin-Verfahren überstellten Personen nahezu ausnahmslos in Asylhaft zu nehmen, verstoße gegen das in Art. 6 der EU-Grundrechtecharta kodifizierte Recht auf Freiheit. Aktuelle Berichte insbesondere des UNHCR, von ProAsyl und auch des Auswärtigen Amtes belegten, dass Ungarn Asylbewerber ohne Angabe von Gründen zum Teil bis zu sechs Monate inhaftiere, ohne dass dies tatsächlich notwendig sei.

Zudem werde Flüchtlingen die individuelle Überprüfung der Inhaftierung regelmäßig vorenthalten, und auch eine gesetzlich vorgesehene Kontrolle werde oftmals erst nach zwei Monaten durchgeführt und beschränke sich auf eine durchschnittlich nur drei Minuten dauernde Anhörung.

Gericht:
Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 15.01.2015 - VG 23 L 899.14

VG Berlin
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