Mangels "Erledigung des Auftrags" im Sinne von § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG entsteht für den Rechtsanwalt kein erneuter Gebührenanspruch, wenn ein gerichtliches Verfahren fortgeführt wird, das seit mehr als zwei Kalenderjahren geruht hat und/oder seitens des Gerichts statistisch erledigt wurde.

Mit seinem Beschluss (Az. 15 M 14.2529) nimmt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof - soweit ersichtlich - erstmals zur insbesondere in der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte sowie auch im Schrifttum umstrittenen Frage Stellung, unter welchen Voraussetzungen ein früherer anwaltlicher Auftrag im Sinne von § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG als erledigt anzusehen ist.

Nach § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG kann ein Rechtsanwalt nach einer mehr als zwei (Kalender-)Jahre zurückliegenden Erledigung eines früheren Auftrags in derselben Angelegenheit erneut Gebühren für seine weitere Tätigkeit verlangen. Mit dieser Regelung statuiert das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Anwaltsgebühren in derselben Angelegenheit nur einmal verlangt werden können (vgl. §§ 15 Abs. 1, 2 und 5 Satz 1 RVG).

Umstritten ist dabei indes der Umgang mit der in der Praxis nicht selten vorzufindenen Fallkonstellation, in der ein gerichtliches Verfahren über mehr als zwei Kalenderjahre förmlich ruht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 251 ZPO) oder (lediglich) tatsächlich (statistisch) unterbrochen ist und das Verfahren sodann wieder aufgegriffen wird.

Die Entscheidung des BayVGH (Az. 15 M 14.2529)

Der BayVGH stellt hierzu nunmehr klar, dass die Anordnung des Ruhens durch gerichtlichen Beschluss sowie auch die (bloße) statistische Erledigung ein gerichtliches Verfahren lediglich (vorübergehend) unterbrechen, nicht aber den früheren Auftrag des Rechtsanwalts erledigen.

Eine "Erledigung des Auftrags" im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG tritt erst dann ein, wenn der Anwalt seine Verpflichtungen aus dem Anwaltsdienstvertrag vollständig erfüllt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11.08.2010, Az. XII ZB 60/08, juris Rn. 14). Das ist bei einer Ruhensanordnung und/oder statischen Erledigung - anders als etwa bei einem Prozessvergleich - gerade nicht der Fall. Der Rechtsanwalt muss vielmehr jederzeit mit der Fortführung des Verfahrens rechnen, auch wenn seit der Unterbrechung mehr als zwei (Kalender-)Jahre verstrichen sind. Ein neuer Auftrag ist nicht erforderlich, der Prozessbevollmächtigte bleibt in solchen Fällen weiterhin beauftragt.

Der BayVGH distanziert sich dabei explizit von der maßgeblich mit dem Fälligkeitstatbestand des § 8 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 RVG („Verfahren ruht länger als drei Monate“) argumentierenden Gegenauffassung, wonach als Erledigung im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG nicht erst der endgültige Abschluss einer Angelegenheit zu verstehen, sondern vielmehr die Fälligkeit der Vergütung nach § 8 RVG entscheidend sei (vgl. insbesondere OLG Brandenburg, a.a.O., sowie Mayer in: Gerold / Schmidt, a.a.O.).

Themenindex:
Kostenrecht, RVG, Anwaltsgebühren

Gericht:
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 08.12.2014 - 15 M 14.2529

BayVGH
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