Mit dem Gesetz zur Stärkung der Opfer sexuellen Missbrauchs (StORMG) werden Empfehlungen zur Vermeidung von Mehrfachvernehmungen, zur Ausweitung der Opferanwaltsbestellung und zur Stärkung von Verletztenrechten umgesetzt. Die Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährung wurde von drei auf 30 Jahre beschlossen.

Im Hinblick auf die Verjährungsfristen soll künftig Folgendes gelten:

Bei den zivilrechtlichen Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche bewirkt das StORMG eine Verlängerung auf 30 Jahre. Diese Verlängerung gilt nicht nur für Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung, sondern auch für solche wegen vorsätzlicher Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit und der Freiheit. Dies ist eine bedeutsame Erweiterung im Gegensatz zu den Vorschlägen der Opposition, die eine Verlängerung nur für Ansprüche wegen Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung vorsehen. Bei der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit und der Freiheit handelt es sich jedoch um vergleichbare Rechtsgüter und auch bei diesen Ansprüchen können vergleichbare Probleme bei der Durchsetzung entstehen, so dass eine Ausweitung der Verjährungsfristen auch auf diese Ansprüche sachgerecht ist und den betroffenen Opfern einen wirklichen Mehrwert in der Praxis bringt. Die Betroffenen können dadurch ihre Schadensersatzansprüche gegen die Täter wirksamer durchsetzen.

Die strafrechtliche Verjährung wird nunmehr – wie heute bereits bei der zivilrechtlichen – erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers einer Straftat nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 179 StGB zu laufen beginnen, die Verjährung also bis zu diesem Zeitpunkt ruhen (§ 78 b Absatz 1 Nummer 1 StGB). Diese Harmonisierung führt zu einer längeren Verfolgbarkeit dieser Delikte und zudem zu einer aus Opfersicht klareren Rechtslage. Ein Beispiel: Bei einem sexuellen Missbrauch gemäß § 176a StGB, der an einem 12 Jahre alten Kind begangen wurde, ruht die Verjährung, bis das Opfer das 21. Lebensjahr vollendet hat. Da die Verjährungsfrist zwanzig Jahre beträgt, tritt Verjährung erst mit der Vollendung des 41. Lebensjahres des Opfers ein. Diese Frist kann sich bei sog. Unterbrechungshandlungen wie z.B. der ersten Vernehmung des Beschuldigten sogar bis zur Vollendung des 61. Lebensjahres des Opfers verlängern § 78 c StGB).

Die Verjährungsregelungen treten am Tag nach der Verkündung, somit am 30. Juni 2013, in Kraft.

Des Weiteren werden mit dem StORMG insbesondere die folgenden Forderungen des Runden Tisches umgesetzt:

  • Stärkere Sensibilisierung
    Stärkere Sensibilisierung für die Belange der minderjährigen Opfer der mit sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen befassten Entscheidungsträger in der Strafjustiz. Mit dem StORMG sollen beispielsweise die schutzwürdigen Interessen von Kindern und Jugendlichen, die im Verfahren als Zeuge gehört werden sollen, bei der Anklageerhebung durch die Staatsanwalt stärker als bisher berücksichtigt werden. Es ist vorgesehen, dass die Staatsanwaltschaft in Jugendschutzsachen Anklage bei den für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen erfahrenen Jugendgerichten erheben soll, wenn damit die schutzwürdigen Interessen von Kindern und Jugendlichen, die im Verfahren als Zeuge benötigt werden, besser gewahrt werden können.
  • Erweiterung des Ausschlusses der Öffentlichkeit
    Bei der Entscheidung darüber, ob die Öffentlichkeit auszuschließen ist, können die Gerichte künftig den Belangen aller Geschädigten Rechnung tragen, die als Minderjährige durch eine Straftat verletzt worden sind, auch wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Vernehmung bereits das Erwachsenenalter erreicht haben. Die Beratungen des Runden Tisches haben gezeigt, dass die Folgen einer als Minderjähriger erlittenen Straftat bis weit in das Erwachsenenalter hinein andauern und eine Mitwirkung an einem Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren zu einer besonderen Belastung für die Betroffenen machen können. Um diese schutzwürdigen Belange der Verletzten besser wahren zu können, kann deshalb auch in diesen Fällen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Zudem wird geregelt, dass die Gerichte auch bei der mündlichen Eröffnung der Urteilsgründe auf die schutzwürdigen Interessen von Prozessbeteiligten, Zeugen oder Verletzten Rücksicht nehmen müssen. Das kann beispielsweise dadurch geschehen, dass statt der Verlesung der Urteilsbegründung nur der wesentliche Inhalt der Urteilsgründe mitgeteilt wird und bei dieser Darstellung auf solche Details aus den privaten Lebensbereichen der Betroffenen verzichtet wird, die deren schutzwürdige Interessen verletzen würden.

  • Vermeidung von Mehrfachvernehmungen
    Durch die Regelungen in dem Gesetz sollen Gerichte stärker als bisher von der bereits bestehenden Möglichkeit Gebrauch machen, die Videoaufzeichnung einer früheren richterlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung abzuspielen und dadurch die erneute Vernehmung eines Opferzeugen entbehrlich zu machen. Zugleich soll bei der Entscheidung, ob Anklage direkt zum Landgericht erhoben wird, noch mehr auf den Opferschutz geachtet werden. Gegen Urteile des Landgerichts gibt es anders als beim Amtsgericht keine Berufungsinstanz, so dass schutzbedürftigen Zeugen mit einer Anklage direkt zum Landgericht eine weitere Tatsacheninstanz und eine erneute Befragung erspart bleiben.

  • Bessere Information und Beratung von Opfer über ihre Rechte
    Erwachsene, die als Kinder oder Jugendliche Opfer von Sexualdelikten geworden sind, sollen in weiterem Umfang als bisher unabhängig von ihren wirtschaftlichen Verhältnissen einen für sie kostenlosen Opferanwalt in Anspruch nehmen können. Opfer sollen außerdem nach einer Verurteilung des Täters mehr Informationen über die Strafvollstreckung erhalten können, also vor allem darüber, ob dem Verurteilten Urlaub oder Vollzugslockerungen gewährt werden.

Die Regelungen zur Verminderung der Belastung im Strafverfahren treten am 1. September 2013 in Kraft.

Mit dem Gesetz werden zudem Regelungen zur Qualifikation der Jugendstaatsanwältinnen und -staatsanwälte getroffen. So ist in Jugendsachen zum Beispiel eine Sitzungsvertretung allein durch Referendare in Zukunft nicht mehr möglich. Richter und Beamte auf Probe sollen im ersten Jahr ihrer Ernennung nicht zu Jugendstaatsanwälten bestellt werden. Diese Regelungen treten am 1. Januar 2014 in Kraft. Der Runde Tisch gegen den sexuellen Kindesmissbrauch hat sich für eine ausreichende Qualifizierung des Justizpersonals ausgesprochen, das in Jugendschutzsachen mit Opfern von Straftaten in Berührung kommt.

Des Weiteren sieht das Gesetz eine neue gesetzliche Regelung zur Begutachtung von Sexualstraftätern vor. Erstmalig wird im Gesetz klargestellt, dass Angeklagte, bei denen die Voraussetzungen dafür vorliegen, von einem Sachverständigen über ihren Zustand und die Behandlungsaussichten untersucht werden sollen, um festzustellen, ob eine sogenannte „Therapieweisung“ ausgesprochen werden soll. Mit einer solchen Weisung kann angeordnet werden, dass sich ein Angeklagter psychiatrisch, psychologisch oder sozialtherapeutisch behandeln zu lassen hat. Solche Therapieweisungen können dazu dienen, dass Angeklagte nicht erst im Rahmen einer Haftstrafe eine therapeutische Betreuung oder Behandlung erfahren. Eine möglichst frühzeitige Begutachtung von Sexualstraftätern wird in Fachkreisen zur Vermeidung von Rückfällen immer wieder gefordert. Diese Regelungen treten am 1. September 2013 in Kraft.

Mitteilung des Bundesministerium der Justiz
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