Ein Auswahlverfahren, welches einen kurzen telefonischen Erstkontakt mit Bewerbern für eine Tätigkeit als Postzusteller vorsieht, kann Bewerber, deren Muttersprache nicht deutsch ist, wegen ihrer ethnischen Herkunft mittelbar benachteiligen.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat ein Unternehmen der Postbranche zur Zahlung von Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz an einen in der Elfenbeinküste geborenen Stellenbewerber verurteilt. Das Arbeitsgericht sieht in der Ausgestaltung des Auswahlverfahrens für Postzusteller durch das Unternehmen einen Verstoß gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft (§§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 AGG).

Der Sachverhalt

Die Beklagte suchte Postzusteller, die laut Stellenausschreibung die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen sollten. Der Kläger, dessen Muttersprache Französisch ist, bewarb sich bei der Beklagten.

Erstkontakt über Telefon

Bei Bewerbungen dieser Art nimmt die Beklagte üblicherweise den Erstkontakt über das Telefon auf. Auch der Kläger wurde aufgrund seiner Bewerbung von einer Mitarbeiterin der Beklagten angerufen, die ihn fragte, ob er Fahrrad fahren könne. Da die Mitarbeiterin bei dem Telefongespräch zu der Einschätzung gelangte, dass der Kläger sich nicht ansprechend klar und deutlich in deutscher Sprache auszudrücken vermochte, wurde die Bewerbung des Klägers abgelehnt.

Mittelbare Benachteiligung von Bewerbern

In der Vorgehensweise der Beklagten liegt eine mittelbare Benachteiligung von Bewerbern, deren Muttersprache nicht deutsch ist. Denn für Angehörige anderer Ethnien ist es typischerweise schwerer als für muttersprachlich deutsche Bewerber, bei dem telefonischen Erstkontakt ein ansprechend klares und deutliches Ausdrucksvermögen in deutscher Sprache zu zeigen.

Auswahlverfahren ist ungeeignet und nicht erforderlich

Das von der Beklagten angewandte Auswahlverfahren ist nicht durch ein legitimes Ziel sachlich gerechtfertigt (§ 3 Abs. 2 AGG). Das Verfahren ist weder geeignet noch erforderlich um zu ermitteln, ob ein Bewerber die für die Tätigkeit eines Postzustellers erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift mitbringt. Denn zum einen ist ein kurzer telefonischer Kontakt keine hinreichende Grundlage, um die sprachlichen Fähigkeiten des Bewerbers festzustellen. Zum anderen ist das von der Beklagten herangezogene  Auswahlkriterium - nämlich das ansprechend klare und deutliche Ausdrucksvermögen in deutscher Sprache (am Telefon) - für die zu besetzende Stelle eines Postzustellers nicht angemessen. Erforderlich für einen Postzusteller ist lediglich eine für die Kundenkommunikation und die Kommunikation mit dem Arbeitgeber und den Kollegen hinreichende Sprachkenntnis in Wort und Schrift.

Gericht:
ArbG Hamburg Urteil vom 26.1.2010, 25 Ca 282/09

Quelle: Rechtsindex | ArbG Hamburg
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