Ein Arbeitnehmer verlangt die Kündigung seines (früheren) Vorgesetzten wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs, der dadurch zustande kam, dass auf einer Dienstreise der Arbeitnehmer beim Vorgesetzten nächtige und der Arbeitnehmer morgens aufwachte, als der Vorgesetzte sexuelle Handlungen an ihm verübte.

Der Sachverhalt

Ein Werkzeugmechaniker ist seit 2006 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Sein Vorgesetzter war der Zeuge P. Im April 2013 waren beide, also der Werkzeugmechaniker und sein Vorgesetzter gemeinsam auf Dienstreise. In der Nacht soll der Vorgesetzte den Werkzeugmechaniker sexuell missbraucht haben. Ob es so war ist strittig, da auch von einvernehmlichen sexuellen Handlungen die Rede ist.

Vorgesetzter habe Hotelzimmerschlüssel versteckt

Der Werkzeugmechiker behauptet, der Vorgesetzte habe in der Nacht seinen Hotelschlüssel verschwinden lassen, um ihn dazu zu bewegen, im Hotelzimmer des Vorgesetzten zu schlafen. Er sei dann morgens aufgewacht, als er sexuelle Handlungen an ihm verübt habe.

Arbeitnehmer nach Vorfall in psychotherapeutischer Behandlung

Die Arbeitgeberin hat dem Werkzeugmechaniker im Anschluss eine psychotherapeutische Behandlung finanziell ermöglicht. Dieser war aufgrund des Vorfalls mehrere Monate arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Arbeitgeberin bot dem Vorgesetzten einen Aufhebungsvertrag an, den dieser jedoch ablehnte. Seit Juli 2013 wird der Vorgesetzte von der Beklagten wieder an seinem bisherigen Arbeitsplatz beschäftigt. Mit Schreiben hat die Arbeitgeberin den Werkzeugmechaniker in eine andere Abteilung versetzt. Dem Vorgesetzten ist die disziplinarische Führung entzogen worden.

Der Werkzeugmechaniker hat Strafanzeige wegen sexueller Belästigung erstattet. Der Vorgesetzte ist mit Urteil des Amtsgerichts Solingen wegen schweren sexuellen Missbrauchs zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten verurteilt worden. Der Vorgesetzte hat hiergegen Rechtsmittel eingelegt.

Arbeitnehmer verlangt die Kündigung seines (früheren) Vorgesetzten

Der Werkzeugmechaniker als Kläger ist der Meinung, die beklagte Arbeitgeberin habe mit der Versetzung keine Maßnahme gegen den Störer, sondern gegen ihn, den Benachteiligten ergriffen. Eine Zusammenarbeit oder auch nur ein Zusammentreffen mit dem ehemaligen Vorgesetzten sei ihm nicht mehr zumutbar. Ein Werkzeugmechaniker verlangt die Kündigung seines (früheren) Vorgesetzten.

Einvernehmliche sexuelle Handlungen - so die Arbeitgeberin

Die Arbeitgeberin behauptet, es habe sich um einvernehmliche sexuelle Handlungen gehandelt. Das Urteil im Strafrechtsverfahren sei falsch und nicht rechtskräftig. Beide Personen hätten unter erheblichem Alkoholeinfluss gestanden. Im Übrigen bestünde keine Wiederholungsgefahr. Sie habe zudem versucht, das Arbeitsumfeld des Klägers günstiger zu gestalten. Die Versetzung sei keine Benachteiligung. Der Kläger sei im Nachhinein auf den Vorgesetzten zugegangen und habe eine höhere Entgeltgruppe sowie die Ermöglichung der Meisterschule verlangt.

Die Entscheidung

Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Diese sei zwar überwiegend zulässig. Auch habe ein Arbeitnehmer nach § 12 Abs. 3 AGG Anspruch auf die Ausübung rechtsfehlerfreien Ermessens durch den Arbeitgeber. Wenn nach objektiver Betrachtungsweise eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung des Arbeitgebers nur das Ergebnis haben könne, eine bestimmte Maßnahme (wie etwa eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses) zu ergreifen, so habe der Arbeitnehmer Anspruch auf deren Durchführung. Eine solche Ermessensreduzierung sei bei einem sexuellen Missbrauch möglich. Allerdings steht aufgrund der Beweisaufnahme nicht zur vollen Überzeugung der zuständigen Kammer fest, dass der Vorgesetzte den Kläger sexuell missbraucht hat. Im Rahmen einer Analyse der Zeugenaussagen und der Anhörung des Klägers ist zwar die Darstellung des Klägers überwiegend wahrscheinlich, da diese mehr sogenannte Realkennzeichen aufweist, die für die Glaubhaftigkeit sprechen. Allerdings verbleiben Zweifel, so dass der Kläger das Beweislastrisiko zu tragen hat.

Gericht:
Arbeitsgericht Solingen, 3 Ca 1356/13

ArbG Solingen
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