Fordert der Leiter einer Filiale seine Mitarbeiter auf, sich krank schreiben zu lassen, obwohl sie sich weder arbeitsunfähig gemeldet haben noch Anzeichen einer Arbeitsunfähigkeit wirklich vorliegen, ist das ein Grund für eine fristlose Kündigung.

Und zwar unabhängig davon, ob die so zum "Krankfeiern" bestimmten Arbeitnehmer dann tatsächlich von Ärzten für arbeitsunfähig befunden wurden oder nicht. Das hat das Landesarbeitsgericht Hessen durch Urteil entschieden.

Der Sachverhalt

Nach einer Mitteilung der Deutschen Anwaltshotline, litten in einer Bank-Filiale verschiedene Mitarbeiter unter zum Teil massiven gesundheitlichen Beschwerden, die teilweise auch notärztliche stationäre Behandlungen erforderten. Vor allem der Filialleiter, der seit Aufnahme seiner Tätigkeit selber wiederholt arbeitsunfähig und schließlich dauerhaft krankgeschrieben war, führte das auf die örtlichen Verhältnisse zurück. Doch alle auf sein Verlangen vom Bankmanagement beauftragten Gutachten ergaben keinerlei messbare Auffälligkeiten. Abgesehen von einer regelmäßigen Lüftung seien keine weiteren Maßnahmen notwendig.

Um offenbar aber seiner dramatischeren Sicht der Dinge mehr Gewicht zu verleihen, hatte der Filialleiter die Mitarbeiter aufgefordert, an den Tagen, an denen Begehungen der Räumlichkeiten durch die Gutachter vorgesehen waren, "einen Krankenschein zu nehmen", damit dann möglichst viele fehlten und die Filiale wie "ausgestorben" erscheine. Die Mitarbeiter sollten also auf Empfehlung ihres direkten Vorgesetzten den Betrieb sabotieren.

Die Vorinstanz

Das Arbeitsgericht hat hier zu Recht angenommen, dass das Einwirken eines Vorgesetzten auf Untergebene, sich arbeitsunfähig zu melden, ohne dass Arbeitnehmer zuvor eine Arbeitsunfähigkeit angezeigt haben und ohne, dass dem Vorgesetzten Anzeichen für eine Arbeitsunfähigkeit bekannt sind, eine grobe Pflichtverletzung darstellt, die "an sich" geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dem schließt sich das Berufungsgericht an.

Die Entscheidung

Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liege vor. Dem steht nicht entgegen, dass die so zum "krankmachen" bestimmten Arbeitnehmer dann tatsächlich von Ärzten für arbeitsunfähig befunden wurden, und zwar auch dann nicht, wenn bei einer Überprüfung der Krankschreibung sich ergeben hätte, dass die Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig krank waren.

Schwerwiegende Vertragsverletzung

Der Filialleiter habe gegen seine Arbeitspflicht verstoßen. Zwar mag nach Auffassung des Gerichts noch nicht mal eine Anstiftung zum Betrug vorliegen. Denn der Mann glaubte möglicherweise tatsächlich, dass alle seine Untergebenen durch die Arbeitsbedingungen genau so krank geworden sein müssten wie er. Doch gleichwohl handelt es sich um eine schwerwiegende Vertragsverletzung. Denn der Vorgesetzte nimmt durch seine Vorgehensweise nämlich genau einen solchen Betrug billigend in Kauf - indem er die Mitarbeiter auffordert, sich arbeitsunfähig zu melden, ohne zu wissen, ab sie das wirklich sind.

Gericht:
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 30.01.2013  6 Sa 944/12

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