Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall. Der Kläger filmte mittels einer sogenannten Dash-Cam aus seinem Auto den Unfallhergang. Der Beklagte beschreibt einen anderen Unfallhergang und widerspricht der Verwertung der Dash-Cam Aufzeichnung. Es bestünde ein Beweisverwertungsverbot. Zu Recht?

Der Sachverhalt

Der Kläger filmte mittels einer sogenannten Dash-Cam aus seinem Auto den Unfallhergang. Der Kläger trägt vor, dass der streitgegenständliche Unfall vom Beklagten zu 1) allein verschuldet sei. Der Beklagte beschreibt einen anderen Unfallhergang und widerspricht der Verwertung der Dashcam-Aufzeichnung. Es bestünde ein Beweisverwertungsverbot.

Aus dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg (Az. 18 C 8938/14)

Aus der Dash-Cam Aufzeichnung ergibt sich, dass die Angaben des Beklagten nicht richtig waren. Nach Auffassung des Amtsgerichts Nürnberg (Urteil, Az. 18 C 8938/14) durfte die vom Kläger mit der Dash-Cam gefertigte Aufzeichnung als Beweis im Verfahren verwertet werden. Die Frage, ob sog. Dash-Cam-Videos in einem Zivilgerichtsverfahren nach einem Verkehrsunfall ausgewertet werden dürfen, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Zum Teil wird von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen, weil die Verwendung solcher Kameras gegen § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG verstößt, vgl. AG München, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 345 C 5551/14, LG Heilbronn, Urteil vom 03.02.2015, Az. I 3 S 19/14. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob diese Vorschrift die in oder an Fahrzeugen mitgeführten Kameras überhaupt erfasst. § 6 b BDSG regelt die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Aus dem Wortlaut des § 6 b Abs. 2 BDSG, wonach der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen sind, ergibt sich, dass diese Vorschrift ersichtlich auf die Überwachung öffentlicher Flächen durch stationäre Anlagen abgestellt ist, nicht hingegen jedoch auf Aufzeichnungen aus einem fahrenden Fahrzeug heraus, bei denen die Öffentlichkeit schwerlich auf die Beobachtung hingewiesen werden kann.

Zudem ist nach § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG die Beobachtung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke gerade zulässig. Das berechtigte Interesse kann hier in der Schaffung eines aussagekräftigen Beweismittels im Rahmen eines effizienten Individualrechtsschutzes und einer funktionsfähigen Rechtspflege gesehen werden. Fraglich kann nur sein, ob schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen, was im Rahmen einer Interessensabwägung zu klären ist (s. dazu unten).

Selbst bei einem Verstoß gegen § 6 b BDSG führt dies noch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, vgl. Greger, aaO, S. 115 sowie Greger in Zöller, ZPO, 30. A., § 286 Rn. 15 b. Ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot in Zivilverfahren regelt das BDSG gerade nicht.

Neben dem Verstoß gegen § 6 b BDSG wird die Unzulässigkeit der Verwertbarkeit von Videoaufnahmen auch aus § 22 S. 1 KunstUrhG abgeleitet, der ein Recht am eigenen Bild begründet, so AG München, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 345 C 5551/14, LG Heilbronn, Urteil vom 03.02.2015,Az.l3S 19/14.

Kunsturheberrechtsgesetz (KunstUrhG)

§ 22 KunstUrhG gewährt jedoch keinen Schutz gegen die Herstellung von Abbildungen, sondern nur gegen ihre unzulässige Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung. Nach § 24 KunstUrhG dürfen für Zwecke der Rechtspflege Bildnisse ohne Einwilligung des Berechtigten öffentlich zur Schau gestellt werden, was eine Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnung in öffentlicher Sitzung ermöglicht. Auch das KunstUrhG enthält kein ausdrückliches Verwertungsverbot. Vielmehr zeigt § 24 KunstUrhG, dass die Verwertung zulässig sein kann.

Bisher wird es in der Rechtsprechung für unproblematisch gehalten, wenn nach dem Unfall Fotos von den beteiligten Fahrzeugen und auch vom Unfallgegner gemacht werden, um Beweise für den Unfallhergang und die Beteiligten zu sichern und diese in der Beweisaufnahme zu verwerten. Hier wurde die Verwertbarkeit nicht mit Verweis auf das KunstUrhG in Frage gestellt. Nichts anderes kann indes für Videoaufzeichnungen gelten.

Auch begründen Verstöße gegen einfaches Recht nicht per se Verwertungsverbote.

Ein Schutz vor dem Abgebildetwerden lässt sich nur auf § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht stützen, vgl. Greger, aaO, S. 117. Für die Frage der Verwertbarkeit kommt es demnach auf das Ergebnis der Interessenabwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Interesse an der Verwertung der Aufzeichnung an.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Die Verwertung der Videoaufzeichnung greift in das aus Artikel 2 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein. Dies ist beim Beklagten zu 1) sicherlich der Fall. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes ist jedoch bei unbeteiligten Personen, die als Passanten oder sonstige Verkehrsteilnehmer quasi mitgefilmt werden, schon fraglich. Da es sich hier nur um eine technikbedingte Miterfassung ohne Erkenntnisgewinn handelt, soll der Aufzeichnung wegen der Anonymität der Personen keine Eingriffsqualität zukommen, so Greger, aaO, S. 115 und AG München, Urteil vom 06.06.2013, Az. 343 C 4445/13 Rn.14. So fertigen auch einige der vom Gericht beauftragten Unfallsachverständigen regelmäßig Videoaufzeichnungen des Unfallbereichs, auf denen auch Verkehrsteilnehmer und Passanten zu sehen sind, die dann in öffentlicher Sitzung abgespielt werden. An der Zulässigkeit dieses Vorgehens bestanden und bestehen auch weiterhin keine Zweifel.

Der Eingriff des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Beklagten zu 1) begründet allein jedoch noch nicht das Beweisverwertungsverbot. Vielmehr ist im Rahmen einer umfassenden Güte- und Interessensabwägung zu ermitteln, ob der Eingriff vom Betroffenen hingenommen werden muss. Ist ein starker Eingriff nicht zu bejahen, kann das Interesse des Aufzeichnenden überwiegen, vgl. MüKo, ZPO, 4.A., § 284 Rn. 70. Dementsprechend wurden z.B. ohne Wissen der Betroffenen angefertigt Videoaufnahmen bei einer Körperverletzung zur Aufklärung und Beweissicherung ohne Weiteres im Rahmen einer Güterabwägung für verwertbar gehalten, s. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 241. Gleiches muss bei der Aufklärung eines Verkehrsunfalls mit einem entsprechenden Personenschaden gelten. Jedoch auch bei einem Unfall mit einem reinen Sachschaden kann das Aufklärungsinteresse des Geschädigten das Persönlichkeitsrecht gefilmeter Personen überwiegen, das im Bereich der Öffentlichkeit ohnehin nur marginal tangiert ist, wenn lediglich si-tuationsbezogene Aufnahmen vorliegen, so Balzer/Nugel in NJW 2014, 1622, 1624.

Das Verwertungsinteresse des Klägers ist im vorliegenden Fall erheblich. Nachdem beklagtenseits ein anderer Unfallhergang geschildert worden ist, als klägerseits, hat der Kläger ein erhebliches und legitimes Interesse an der Zulassung des Beweismittels, um seine Schadensersatzansprüche durchzusetzen.

Materiell richtiger Sachverhalt

Die Videoaufzeichnung dient aber auch dazu, dem Gericht eine materiell richtige, mit dem wirklichen Sachverhalt übereinstimmende Entscheidung zu ermöglichen, Greger, aaO, S. 115. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind auch im Zivilprozess, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses gestritten wird, die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, seien die Gerichte deshalb grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen, wenn und soweit eine Tatsachenbehauptung erheblich und beweisbedürftig ist. Dies gebiete auch der in § 286 ZPO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie das grundrechtsähnliche Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG, BVerfG, NJW 2002, S. 3619, 3624.

Zwar soll nach der Rechtsprechung des BVerfG ein schlichtes Beweisinteresse nicht genügen. Jedoch befindet sich bei Verkehrsunfällen der Geschädigte oft in einem Beweisnotstand und kann den exakten Unfallhergang nicht anders beweisen. Zeugenaussagen können nur bedingt zu Aufklärung des Unfallgeschehens beitragen. So konnte hier die Zeugin … aus eigener Wahrnehmung nicht sagen, welche Spur der Beklagte zu 1) vor der Kollision befuhr. Auch der Sachverständige, der dem Gericht aus einer Vielzahl von Verfahren als äußerst kompetenter Sachverständiger bekannt ist, konnte anhand der Schäden und Unfallendstände keine sicheren Angaben darüber machen, ob der Beklagte zu 1), wie von diesem geschildert, noch vor der Kollision einen Fahrstreifenwechsel nach rechts durchführte. Nur mit der Videoaufzeichnung konnte der Kläger die Behauptung des Beklagten, dass dieser vor der Ampel auf die vom Kläger befahrene Fahrspur gewechselt sei und dann im weiteren Verlauf den Geradeausfahrstreifen befahren habe, widerlegen. Nur die Verwertung der Videoaufzeichnung führt hier zu einem materiell richtigem Ergebnis.

Gericht:
Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 08.05.2015 - 18 C 8938/14

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