Das FG Baden-Württemberg hat durch Urteil entschieden, dass bei sog. Weiterleitungsfällen, bei der ein privater Zustelldienst die außerhalb seines Zustellbezirks liegende Briefsendung an die Deutsche Post AG weitergibt, Zweifel an der sog. Drei-Tages-Fiktion (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO) angebracht sind.

Hintergrund

Seit Aufhebung des Briefmonopols können sich die Finanzämter zur Bekanntgabe ihrer Steuerbescheide auch anderer Briefzustelldienste als der Deutschen Post AG bedienen. Diese sind jedoch häufig nur regional tätig und übergeben Sendungen an Empfänger außerhalb ihres eigentlichen Zustellbezirks zur Weiterbeförderung an die Deutsche Post AG (sog. Weiterleitung).

Der Sachverhalt zum Urteil

Im Streitfall hatte die Klägerin vorgetragen, dass ihr der Bescheid erst am 16. August 2011 und damit erst am vierten Tag nach Aufgabe der Sendung an den privaten Briefzustelldienst zugegangen sei. Zugleich hatte sie geltend gemacht, dass durch die Weiterleitung der Sendung an die Deutsche Post AG die üblichen Zustellzeiten nicht eingehalten worden seien. Das Finanzgericht hat der Klägerin Recht gegeben und die Zulässigkeit der erst am 16. September 2011 eingegangenen Klage bejaht.

Die Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg

Der 2. Senat hat mit Zwischenurteil entschieden, dass in solchen Weiterleitungsfällen Zweifel an der gesetzlichen Vermutung angebracht sind, wonach der Steuerbescheid dem Empfänger als am dritten Tag nach seiner Aufgabe zur Post bekanntgegeben gilt (sog. Drei-Tages-Fiktion, § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die einmonatige Klagefrist beginnt dann erst mit dem vom Empfänger behaupteten späteren Zugangszeitpunkt zu laufen, sofern es der Finanzbehörde nicht gelingt, ihrerseits den Zugang des Bescheids innerhalb des Drei-Tages-Zeitraums nachzuweisen.

Da der private Zustelldienst die Weiterleitung erst am Folgetag nach Aufgabe der Sendung vorgenommen habe, sei bereits ein Drittel des Drei-Tages-Zeitraums verstrichen, ohne dass die Sendung überhaupt befördert worden wäre. Die Drei-Tages-Fiktion sei dadurch so schwer erschüttert, dass sie zur Berechnung der Klagefrist nicht mehr angewendet werden könne.

Aus dem Urteil: [...] Gibt ein Briefdienstleister, der vom Absender mit der Versendung beauftragt wurde, eine Sendung an ein anderes Unternehmen weiter, weil der Adressat nicht in dem eigenen Zuständigkeitsbereich wohnt, so beginnt mit dem Zeitpunkt der Übergabe an das weitere Unternehmen die Frist für die Zugangsvermutung nicht etwa neu zu laufen, sondern diese greift wegen der daraus resultierenden Zweifel, dass die Sendung der Klägerin nicht spätestens an dem Tag zugegangen ist, der nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO vermutet wird, insgesamt nicht mehr ein.[...]

Gericht:
Finanzgericht Baden-Württemberg, Zwischenurteil vom 27.02.2013 - 2 K 3274/11

FG Baden-Württemberg
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