Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besagt lediglich, dass der Arbeitnehmer seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit nicht nachkommen kann, nicht aber, dass er auf anderweitige Aktivitäten verzichten muss, soweit diese den Heilungsprozess nicht verzögern, so das Urteil.

Der Sachverhalt zum Urteil

Ein Lagerist (Kläger) betreibt seit dem 16. Lebensjahr Leistungssport, nimmt regelmäßig an Marathonläufen teil, wobei er ca. 3.000 km pro Jahr läuft, dazu fährt er Rad, schwimmt und spielt Fußball. Eines Tages kam es zu einem Wegeunfall des Klägers. Er stürzte vom Fahrrad und brach sich dabei das linke Schulterblatt. Dies führte zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit.

12 Tage nach seinem Unfall nahm er an einem 53km Lauf in Österreich teil, einige Wochen später war der Kläger Teilnehmer des Schw.-Alb-Marathons (50 km). Beide Läufe fanden während seiner Arbeitsunfähigkeit statt. Vor der Teilnahme an den beiden Laufveranstaltungen konsultierte der Kläger seinen behandelnden Arzt zur Frage, ob aus ärztlicher Sicht etwas gegen die Teilnahme an den Veranstaltungen spreche. Der Arzt erklärte, dass aus seiner Sicht nichts gegen die Teilnahme spreche, insbesondere mit keiner Verzögerung des Heilungsverlaufs zu rechnen sei, der Kläger solle aber die sportliche Betätigung einstellen, sobald er Schmerzen verspüre. Der Arbeitgeber erfuhr von der Teilnahme seines Mitarbeiters aus der Presse und kündigte fristlos. Dagegen klagte der Mitarbeiter.

Das Urteil das Arbeitsgerichts Stuttgart

Denn die Krankschreibung besagt lediglich, dass der Arbeitnehmer seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit nicht nachkommen kann, nicht aber, dass er auf anderweitige Aktivitäten verzichten muss, soweit diese den Heilungsprozess nicht verzögern, erläutern ARAG Experten.

Aus dem Urteil: [...] Auch lässt sich nicht feststellen - soweit man dies genügen ließe -, dass der Kläger mit der Teilnahme an den Marathonläufen die Genesung ernsthaft gefährdet hat. Dem steht schon die vorherige ärztliche Konsultation und die positive Einschätzung des behandelnden Arztes entgegen. Jedenfalls genügt ein Arbeitgeber seiner Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess zur Frage der Gefährdung der Genesung nicht, wenn er - wie vorliegend - eine solche lediglich behauptet, obwohl eine die Gefährdung des Genesungsverlaufs ausschließende, ärztliche Stellungnahme des behandelnden Arztes, also eines mit dem Krankheitsbild und der Person des Arbeitnehmers vertrauten Mediziners, unstreitig vorliegt. [...]

Da der Läufer eine ärztliche Bescheinigung erbrachte, die bestätigte, dass die Läufe die Heilung nicht beeinträchtigten, war die Kündigung nicht rechtmäßig.

Themenindex:
Genesungswidriges Verhalten, Marathonlauf, fristlose Kündigung

Gericht:
Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 22.3.2007 - 9 Ca 475/06

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