Die Betriebsgefahr eines fahrenden Fahrzeugs tritt bei Verstoß gegen die Verhaltensmaßregeln beim Ein- und Aussteigen aus einem parkenden Fahrzeug hinter dessen in diesem Augenblick sehr hohen Betriebsgefahr zurück.

Kurzfassung

Sind einerseits ein vorbeifahrendes und andererseits ein am Straßenrand parkendes Auto in einen Unfall verwickelt, kann die für eine Schuldzuweisung wichtige erhöhte Betriebsgefahr im konkreten Fall auch von dem stehenden Gefährt ausgehen. Obwohl die hier zu bewertende Einflussnahme auf das Verkehrsgeschehen sich der Zweckbestimmung nach eigentlich erst in der Fortbewegung der Fahrzeuge verwirklicht.

Der Sachverhalt


Wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (www.anwaltshotline.de) berichtet, war ein Daimler-Chrysler beim Vorbefahren an einem stehenden VW Polo mit dessen geöffneter linken Wagentür kollidiert. Diese wurde erst unmittelbar vor dem herannahenden Fahrzeug weit in die Fahrbahn hinein geöffnet. Trotz sofortiger Vollbremsung konnte der Fahrer, der nachweislich mit keiner überhöhten Geschwindigkeit unterwegs war, die Kollision nicht mehr verhindern. Er will deshalb auch nicht für den Schaden von 4.238,28 Euro aufkommen.

Der Parkende behauptet dagegen, sein Wagen haben ja gestanden, als die Tür geöffnet wurde, und sei insofern nur ein "unbewegliches" Hindernis für den heranbrausende Daimler gewesen, dem dieser hätte ausweichen müssen. Womit ihm schon allein wegen seiner im Vorbeifahren realisierten Betriebsgefahr klar die Haftung für den Unfallschaden zuzuweisen wäre.

Die Entscheidung

Die Betriebsgefahr eines fahrenden Fahrzeugs tritt bei Verstoß gegen die Verhaltensmaßregeln beim Ein- und Aussteigen aus einem parkenden Fahrzeug hinter dessen in diesem Augenblick sehr hohen Betriebsgefahr zurück.

Durch das Öffnen der Fahrertür zur Fahrbahn hin spricht gegen den Parkenden der Anschein, der Unfall sei allein darauf zurückzuführen, dass dieser die Verhaltensmaßregeln des § 14 StVO nicht eingehalten hat. Eine Wagentür zur Fahrbahn hin darf überhaupt nur geöffnet werden, wenn sich mit Gewissheit kein Verkehr nähert - und dann auch nur langsam und spaltweise sowie mit einer maximalen Spaltbreite von 10 cm", erklärt Rechtsanwalt Tim Vlachos diese besonders restriktiven Sorgfaltsanforderungen.

Wobei der sehr wohl dem allgemeinen Verkehrsgeschehen zuzuordnende Vorgang des Ein- und Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtür und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist. Dem Parkenden selbst ist es nicht gelungen, den gegen ihn sprechenden Anschein eines Verstoßes gegen § 14 StVO zu entkräften.

Gericht:
Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 02.12.2011 - 9 S 16/11

Deutsche Anwaltshotline, Rechtsindex

Weitere Information:

Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)
§ 14 Sorgfaltspflichten beim Ein- und Aussteigen

(1) Wer ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

(2) Verlässt der Führer sein Fahrzeug, so muss er die nötigen Maßnahmen treffen, um Unfälle oder Verkehrsstörungen zu vermeiden. Kraftfahrzeuge sind auch gegen unbefugte Benutzung zu sichern.