Ein Ausländer, der sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ableitet, ist nicht von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen, wenn er vom Schutzbereich des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) erfasst wird.

Der Sachverhalt

Die Antragstellerin griechischer Nationalität begehrte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die zuletzt erfolgte Bewilligung wurde vom Antragsgegner mit der Begründung aufgehoben, die Antragstellerin könne keine Leistungen beanspruchen, weil sie sich lediglich zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik aufhalte und somit nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sei.

Antragstellerin beruft sich auf das Europäische Fürsorgeabkommen

Die Antragstellerin berief sich darauf, dass die vom Antragsgegner herangezogene Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II  keine Anwendung finde, weil sie sich auf das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) berufen könne.

Antragsgegner beruft sich auf Vorbehalt "wegen Arbeitssuche"

Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass das EFA dem Leistungsausschluss insbesondere nicht (mehr) entgegenstehen könne, da die Bundesrepublik Deutschland am 19.12.2011 einen Vorbehalt „wegen Arbeitssuche“ eingefügt habe.

Die Entscheidung

Das Gericht hat den Antragsgegner wegen bestehender Zweifel an der Wirksamkeit des Vorbehalts zur vorläufigen Leistungsgewährung verpflichtet.

Ein Ausländer, der sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ableitet, ist nicht von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen, wenn er vom Schutzbereich des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) erfasst wird.

Es bestehen Zweifel, ob der von der Bundesregierung erst mit Wirkung zum 19.12.2011 und ohne Zustimmungsgesetz erklärte Vorbehalt gegen die Anwendung des EFA auf die Leistungen nach dem SGB II die Staatsangehörigen der Signatarstaaten wirksam vom Leistungsbezug ausschließt.

Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob dieser Vorbehalt im Einklang mit dem Wiener Vertragsrechtsübereinkommen steht, wonach ein Vorbehalt nicht angebracht werden darf, wenn er mit Ziel und Zweck des Vertrages unvereinbar ist (

Gericht:
Sozialgericht Stuttgart, Beschluss vom 30.07.2012 - S 24 AS 3916/12 ER

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