Ein Nasenbeinbruch ist im Regelfall keine schwere Erkrankung, die eine Stornierung einer Reise notwendig macht, da eine operative Behandlung normalerweise nicht erforderlich ist. Die Stornierung der Reise hat daher nicht schon bei Eintritt des Nasenbeinbruchs zu erfolgen, sondern erst, wenn klar wird, dass aus besonderen Umständen eine Operation notwendig sein wird.

Der spätere Kläger buchte im Januar 2007 für sich und seine Familie, darunter seinen damals elfjährigen Sohn, für die Zeit vom 24.9.07 bis zum 8.10.07 eine Reise nach Djerba/ Tunesien. Für diese Reise schloss er bei einem Versicherungsunternehmen eine Reiserücktrittsversicherung ab. Am 19.9.07 erlitt der Sohn beim Sport eine Nasenbeinfraktur. Diese wurde zunächst ambulant versorgt. Die Blutung wurde gestillt, weitere operative Maßnahmen erschienen zunächst nicht erforderlich. Auch die behandelnde Ärztin ging davon aus, dass der Sohn in den Urlaub fahren könnte. Bei der Abschlussuntersuchung am 24.9.07 allerdings, kurz vor dem Abflug, wurde festgestellt, dass der Nasenbeinbruch begradigt werden müsse. Dabei riss die Nasenscheidewand ein und es kam zu einer Einblutung. Darauf hin stornierte der Vater die Reise. Ihm wurden 2894 Euro Stornokosten in Rechnung gestellt. Von der Reiserücktrittsversicherung erhielt er aber nur 1670,24 Euro. Diese wandte nämlich ein, der Versicherungsnehmer habe grob fahrlässig gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Der Unfall sei bereits am 19.9.07 geschehen, also hätte auch zu diesem Zeitpunkt schon storniert werden müssen. Dann wären auch nur 65 Prozent Stornokosten angefallen. Außerdem sei auch ein Selbstbehalt von 20 Prozent abzuziehen. Dieser Selbstbehalt –so wandte der Kläger wieder ein- sei als überraschende Klausel unwirksam. Am 19.9.07 sei nicht erkennbar gewesen, dass ein Reiseantritt nicht möglich sein würde.

Die zuständige Richterin am AG München gab dem Vater zu einem überwiegenden Teil Recht:

Die Klausel mit dem Selbstbehalt sei wirksam. Da eine solche Klausel bei nahezu allen Versicherungen üblich sei, sei sie nicht überraschend. Der 20-prozentige Abzug sei daher gerechtfertigt. Der Kläger habe aber nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Der Versicherungsnehmer müsse immer dann stornieren, wenn er oder ein Familienangehöriger von einer unerwarteten schweren Erkrankung getroffen würden. Dies setze voraus, dass die Erkrankung einen Grad erreicht habe, die den Antritt der Reise objektiv unzumutbar mache. Da bei einem Nasenbeinbruch in der Regel eine operative Behandlung nicht erforderlich sei, bedeute das alleinige Vorliegen des Nasenbeinbruchs noch nicht, dass der Versicherte die Reise stornieren müsse. Erst bei Hinzutreten bestimmter Umstände wie hier das Notwendigwerden einer Operation zur Begradigung der Nase mit der zusätzlichen Folge eines Risses in der Scheidenwand und der darauf hin erfolgten Einblutung habe aus einem Nasenbeinbruch eine schwere Erkrankung werden lassen. Erst zu diesem Zeitpunkt habe ein Stornierungsgrund und damit auch eine Stornierungspflicht bestanden. Die Versicherung habe daher noch weitere 644, 96 Euro zu bezahlen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Urteil des AG München vom 11.9.2008, AZ 275 C 9001/08