Auch der Prüfling, der wegen einer schweren Erkrankung (hier Lungenembolie, Lungeninfarkt) von einer Prüfung zurücktreten will, muss den Rücktritt unverzüglich gegenüber dem Prüfungsamt geltend machen. Dies hat das Verwaltungsgericht Mainz durch Urteil entschieden.

Letzter Versuch der Ärztlichen Prüfung

Der erste und zweite Versuch der Ärztlichen Prüfung im Frühjahr und Herbst 2015 wurden bei einer Medizinstudentin mit "nicht ausreichend" und damit als nicht bestanden gewertet. Nun nahm die Medizinstudentin am für sie letzten Prüfungsversuch der Ärztlichen Prüfung (Physikum) teil.

18 Tage nach Prüfung Lungenembolie

Rund 18 Tage nach dieser Prüfung, am 1. April, wurde die Medizinstudentin wegen Luftnot notfallmäßig in ein Krankenhaus aufgenommen. Dort wurde eine Lungenembolie, ein Lungeninfarkt und eine Beinvenenthrombose festgestellt. Ohne Behandlung wäre die Studentin verstorben.

Prüfungsergebnis "Nicht bestanden"

Am 19. April erhielt sie die Mitteilung, dass sie den Prüfungsversuch nicht bestanden habe und damit die Prüfung endgültig nicht mehr ablegen könne. Auch eine weitere Wiederholung sei nach erneutem Studium der Medizin nicht zulässig.

Antrag auf nachträglichen Rücktritt von der Prüfung

2 Tage nach dieser Mitteilung machte die Studentin bei dem Prüfungsamt ihren nachträglichen Rücktritt von der schriftlichen Physikumsprüfung geltend und führte aus, sie habe bereits 2 Wochen vor der Prüfung körperliche Einschränkungen wie Kurzatmigkeit, Herzrasen und plötzliche Erschöpfungszustände gehabt, die der später festgestellten Lungenembolie zuzurechnen seien.

Im Zeitpunkt der Prüfung sei sie nicht in der Lage gewesen, auf eine derart schwere Erkrankung zu schließen und von der Prüfung zurückzutreten. Um an der Prüfung teilnehmen zu können, habe sie Schmerzmittel eingenommen.

Prüfungsamt lehnt nachträglichen Prüfungsrücktritt ab

Das Prüfungsamt lehnte die Gewährung eines nachträglichen Prüfungsrücktritts ab. Die Studentin habe nicht nachweisen können, im Zeitpunkt der Prüfung prüfungsunfähig erkrankt gewesen zu sein. Außerdem sei die Geltendmachung des Rücktritts nicht mehr rechtzeitig erfolgt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz

Das Verwaltungsgericht Mainz (Urteil, Az. 3 K 27/17.MZ) wies die Klage auf Genehmigung des Prüfungsrücktritts ab. Die Klägerin habe keinen wichtigen Grund für einen Rücktritt von der Physikumsprüfung geltend gemacht. Aus den Krankenhausberichten und einem amtsärztlichen Gutachten ergebe sich (auch unter Berücksichtigung der am 1. April 2016 festgestellten Lungenembolie) nicht, dass die Klägerin bereits am 15./16. März 2016 prüfungsunfähig erkrankt gewesen sei.

Darüber hinaus habe sie den krankheitsbezogenen Rücktrittsgrund auch nicht unverzüglich gegenüber dem Prüfungsamt geltend gemacht. Aus Chancengleichheitsgründen - also zur Vermeidung der Gefahr, dass sich ein Prüfling im Vergleich zu den anderen Prüfungsteilnehmern zusätzlich eine weitere Prüfungschance verschaffe - müsse der krankheitsbedingte Rücktritt unverzüglich erklärt werden, d.h. zu dem zumutbar frühestmöglichen Zeitpunkt.

Dies gelte insbesondere bei einem Rücktritt nach Ablegen der Prüfung und erst Recht nach der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses. Hiernach sei die Mitteilung der Klägerin an das Prüfungsamt am 21. April 2016 verspätet. Die Klägerin habe sich selbst angesichts der Dauer und der Intensität der körperlichen Einschränkungen vor der Prüfung bereits zu diesem Zeitpunkt um eine (ärztliche) Aufklärung ihrer Prüfungsfähigkeit bemühen müssen. Komme der Prüfling dieser ihn treffenden Mitwirkungspflicht nicht nach und nehme er an der Prüfung teil, sei es ihm verwehrt, sich im Nachhinein auf eine Leistungseinschränkung zu berufen.

Die Klägerin könne sich aber auch nicht darauf berufen, dass sie im Prüfungszeitpunkt unerkannt prüfungsunfähig gewesen sei, also gehindert gewesen sei, ihre Leistungseinschränkung überhaupt zu erkennen und entsprechend zu handeln. Auch dann gelte aus Chancengleichheitsgründen nämlich die Pflicht, die Prüfungsunfähigkeit unverzüglich nach deren Erkennen vorzubringen. Dem sei die Klägerin mit ihrer Rücktrittsmitteilung erst am 21. April 2016 jedoch nicht nachgekommen.

Es sei ihr angesichts ihrer Angaben zumutbar gewesen, dem Prüfungsamt bereits nach der Entlassung aus dem Krankenhaus am 6. April 2016 den krankheitsbedingten Rücktritt anzuzeigen. Auch wenn der Gesundheitszustand der Klägerin unmittelbar nach dem Krankenhausaufenthalt noch beeinträchtigt gewesen sein sollte, hätte sie mit einer Mitteilung an das Prüfungsamt jedenfalls nicht bis zum 21. April 2016 zuwarten dürfen.

Die Klägerin habe nicht darlegen und nachweisen können, dass sie nach dem Krankenhausaufenthalt weitere zwei Wochen in ihrer Erkenntnis- und Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei. Aus Gründen der Chancengleichheit gegenüber anderen Prüfungsteilnehmern seien im Falle einer schweren, lebensbedrohlichen Erkrankung keine grundsätzlich anderen Anforderungen an die Unverzüglichkeit des Rücktritts zu stellen. Dem jeweiligen Einzelfall werde unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung getragen.

Gericht:
Verwaltungsgericht Mainz, Urteil vom 05.12.2017 - 3 K 27/17.MZ

VG Mainz, PM 13/2017
Rechtsindex -Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:

Mit Urteil hat das BVerwG entschieden, dass die Kontaktaufnahme einer Kandidatin in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung mit dem Prüfer einer von ihr verfassten Examensklausur nicht schon als solche als unzulässiger Versuch einer Beeinflussung des Prüfers sanktioniert werden durfte. Urteil lesen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Waffenbehörde berechtigt ist, von dem Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis für die alle drei Jahre stattfindende Regelüberprüfung seiner Zuverlässigkeit und persönlichen Eignung eine Gebühr zu verlangen. Urteil lesen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute über die Klage eines ausgebildeten Physiotherapeuten entschieden, der die Erlaubnis zur eigenverantwortlichen Ausübung der Heilkunde nach § 1 des Heilpraktikergesetzes beschränkt auf den Bereich der Physiotherapie erstrebt hat, ohne zuvor eine nach dem Heilpraktikerrecht vorgesehene Kenntnisüberprüfung absolvieren zu müssen. Urteil lesen

In Hessen sprang ein Hund aus dem Auto und hetzte ein Reh, welches sich in einem Zaun verfing. Der Hund wurde als gefährlicher Hund eingestuft. Eine danach absolvierte Wesensprüfung des Hundes widerlege bzw. beseitige nicht die Gefährlichkeit des Hundes. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de