Die Polizeidirektion Hannover verfügt aktuell über 78 Kameras zur Beobachtung öffentlich zugänglicher Orte, von denen 23 Kameras ständig aufzeichnen. Der Kläger verlangt die Unterlassung der Videoüberwachung und möchte erreichen, dass alle 78 Kameras abgeschaltet werden.

Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover

Mit Urteil (Az. 10 A 4629/11) hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover entschieden, dass die Polizeidirektion 56 dieser Kameras abschalten muss. 22 dieser Kameras dürfen weiter beobachten und aufzeichnen.

Nach Auffassung der Kammer gilt auch für die Kameras, die nur beobachten (und nicht auch aufzeichnen), nicht der Maßstab von § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG, sondern der strengere Maßstab des § 32 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG, der für die Aufzeichnung gilt. § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG sei insofern verfassungskonform auszulegen.

Der von der Videoüberwachung betroffene Bürger könne nicht erkennen, ob eine Kamera lediglich beobachte oder auch aufzeichne. Ohne diese einschränkende Auslegung erwiese sich § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG als verfassungswidrig.

Unter Anlegung dieser Maßstäbe seien die Standorte von 22 Kameras nicht zu beanstanden. An elf Standorten sei die Videoüberwachung unter dem Gesichtspunkt des sog. Objektschutzes statthaft (§ 32 Abs. 3 Satz 2 Nr.1 Nds. SOG). An weiteren elf Standorten sei eine Videoaufzeichnung unter dem Gesichtspunkt der Kriminalprävention statthaft, weil es sich ausweislich der von der Polizeidirektion vorgelegten Kriminalitätsstatistiken, denen das Gericht gefolgt ist, um Kriminalitätsschwerpunkte handele (§ 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Nds. SOG).

Von den 56 Kameras, die abzuschalten sind, sind 37 solche, die für die Verkehrsbeobachtung verwendet werden. Da diese Kameras aber Funktionen haben, die darüber hinausgehen (Aufnahme- und Zoommöglichkeit), unterliegen sie nach Auffassung des Gerichts den strengeren Maßstäben des § 32 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG. Bei weiteren 17 Kameras prüft die Polizeidirektion Hannover zurzeit deren Notwendigkeit, so dass die rechtlichen Voraussetzungen ebenfalls nicht hätten dargelegt werden können. Bei einer weiteren Kamera (am Königsworther Platz) kam das Gericht zu einer von der Polizeidirektion Hannover abweichenden Einschätzung. Das Gericht hat die Berufung zugelassen.

Gericht:
Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 09.06.2016 - 10 A 4629/11

VG Hannover
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