Es verbiete sich grundsätzlich für ein Gericht, die Schulbehörde zur Einleitung von Ordnungsmaßnahmen zu verpflichten. Dies käme nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Schule oder Schulaufsicht auf "Null" geschrumpft sei. Ein Schüler begehrte die Versetzung eines Mitschülers in die Parallelklasse.

Der Sachverhalt

Dem Rechtstreit liegt ein Vorfall in der Schule zugrunde, bei welchem der in dem Verfahren beigeladene Mitschüler dem Antragsteller im Rahmen eines Streits einen heftigen Schlag ins Gesicht versetzte. Das Gericht sah hierin eine Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB. Dies stelle einen erheblichen Verstoß gegen die Schulordnung im Sinne des § 82 Abs. 4 Nr. 1 des Hessischen Schulgesetzes dar. Der Antragsteller verlangte die "vorläufige" Entfernung des Mitschülers aus seiner Klasse.

Die Entscheidung

Die Kammer vermochte keinen subjektiven Rechtsanspruch des Antragstellers auf Entfernung seines Mitschülers aus der Klasse zu erkennen. Die Kammer stellte klar, dass die Frage, ob und gegebenenfalls welche förmlichen Ordnungsmaßnahmen gegen einen Schüler ergriffen werden, dem pflichtgemäßen Ermessen der Schule oder der Schulaufsicht unterliegt. Die gerichtliche Kontrolle solcher Entscheidungen beziehe sich lediglich auf die Frage, ob die rechtlichen Voraussetzungen einer Maßnahme, insbesondere eine hinreichende Rechtsgrundlage, vorlägen und ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten sei. Einer solchen Überprüfung am Maßstab der Rechtmäßigkeit entzögen sich indessen pädagogische Wertungen, um die es bei der Verhängung einer Ordnungsmaßnahme aber im Wesentlichen gehe.

Ermessen der Schule oder der Schulaufsicht

Es verbiete sich grundsätzlich für ein Gericht, die Schulbehörde zur Einleitung von Ordnungsmaßnahmen zu verpflichten. Dies käme nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Schule oder Schulaufsicht auf „Null“ geschrumpft sei, was im vorliegenden Fall aber auszuschließen sei. Ob eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege, lasse sich nur einzelfallbezogen und nicht abstrakt bestimmen. Hieran müssten jedoch sehr strenge Anforderungen gestellt werden.

Begegnungen mit dem Mitschüler lassen sich nicht vermeiden

Der Vortrag des Antragstellers, der Mitschüler "schleiche" um ihn und auch seine Schwester "herum", sei nicht geeignet, eine solche Ermessensreduzierung zu begründen.  Diesbezüglich sei festzustellen, dass sich der beigeladene Mitschüler nach den Feststellungen der Schule nach einer Intervention der Mutter des Antragstellers von dem Antragsteller fernhalte. Selbstverständlich ließen sich Begegnungen auf dem Schulgelände nicht  vermeiden, was aber auch der Fall sei, wenn der beigeladene Schüler einer Parallelklasse zugewiesen werde.

Soweit der Antragsteller in seiner Antragsschrift "eine massive Verunsicherung und ein erhebliches Bedrohungsgefühl" vortrage, stehe dies im Widerspruch zu seinen Äußerungen im Rahmen eines Gesprächs zwischen dem Schulleiter und einer Lehrerin aus Anlass der Anhörung zu Ordnungsmaßnahmen. Hierbei habe der Antragsteller erklärt, dass er dem beigeladenen Mitschüler aus dem Weg gehe und dieser ihn auch in Ruhe lasse.

Kopfschmerzen und Fehlzeiten führen zu keinem anderen Ergebnis

Soweit der Antragsteller aufgrund der Attacke seines Mitschülers geltend mache, er leide aufgrund der Attacke unter erheblichen Kopfschmerzen und weise erhebliche Fehlzeiten seit dem Vorfall auf, führe auch dies zu keinem anderen Ergebnis. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass der Bericht des für die Unfallkasse Hessen tätigen Neurologen darauf hindeute, dass die seitens der Mutter des Antragstellers berichteten Druckkopfschmerzen mit etlichen Fehltagen in der Schule ihre Ursache in einer "juvenilen Migräne" habe. Die Familienanamnese habe ergeben, dass bei dem Antragsteller eine entsprechende erbliche Disposition vorliege.

Es sei nicht zu beanstanden, dass die Schule das Fehlverhalten des Mitschülers mit einem mehrtägigen Schulausschluss, beginnend mit dem Tattag, geahndet habe. Diese Sanktion sei auch im Hinblick auf die Schwere des Vorfalls nicht zu beanstanden.

Es hatte bereits ein Mediationsgespräch zwischen den Schülern stattgefunden

Zudem habe es zwischen den Beteiligten unter Vermittlung des Schulpfarrers ein Mediationsgespräch gegeben, in dessen Verlauf der Antragsteller auch eingeräumt habe, den beigeladenen Mitschüler provoziert zu haben. Als Ergebnis des Mediationsgesprächs habe der beigeladene Mitschüler eine schriftliche Erklärung abgegeben, künftig keine Gewalt mehr auszuüben, während der Antragsteller eine schriftliche Erklärung, künftig Provokationen zu unterlassen, nicht abgegeben habe.

Gericht:
Verwaltungsgericht Darmstadt, Beschluss vom 16.07.2014 - 3 L 879/14.DA

VG Darmstadt, PM
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