Schülerinnen und Schüler, die unter einer Rechenschwäche (Dyskalkulie) leiden, haben keinen Anspruch darauf, dass die Schule die Mathematiknote bei Versetzungsentscheidungen nicht berücksichtigt, so das Urteil des VG Braunschweig.

Der Sachverhalt

Geklagt hatte eine 13 Jahre alte Schülerin, die die 6. Klasse einer Realschule besucht. Sie leidet unter Dyskalkulie und absolviert deshalb eine Therapie bei einem Privatinstitut. Außerdem leistet ihr die Mathematik-Lehrerin im Unterricht individuelle Hilfestellung, die nach Darstellung der Lehrerin aber nur in engen zeitlichen Grenzen möglich ist.

In den letzten Zeugnissen erhielt die Schülerin in Mathe die Note 5. In den übrigen Fächern wurden ihre Leistungen mit den Noten 2, 3 und 4 bewertet. Die Schule hatte es unter Berufung auf die schulrechtlichen Regelungen abgelehnt, die Mathenote bei Versetzungsentscheidungen nicht zu berücksichtigen.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Schule sei zu Recht davon ausgegangen, dass das geltende Schulrecht einen Notenschutz, wie ihn die Klägerin im Ergebnis anstrebe, nicht vorsieht. Ein dahin gehender Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem Grundgesetz, insbesondere nicht aus dem Grundsatz der Chancengleichheit und dem Benachteiligungsverbot für Behinderte (Artikel 3 des Grundgesetzes).

Urteil: Notenschutz wäre eine Ungleichbehandlung

Die Schülerin wolle mit ihrer Klage keinen Nachteilsausgleich erreichen wie z. B eine besondere Unterstützung durch Lehrkräfte oder eine veränderte Unterrichtsorganisation. Sie wolle vielmehr, dass die Schule sie von den allgemeinen, also für alle Schülerinnen und Schüler geltenden Leistungsanforderungen befreie. Dies wäre aber, so die Richterinnen und Richter, eine Bevorzugung, auf die es auch nach dem Grundgesetz keinen Anspruch gibt. Ein Notenschutz, wie ihn die Klägerin verlange, verletze vielmehr die Mitschülerinnen und Mitschüler in ihrem Recht auf Gleichbehandlung. Die Kammer wies dazu auch auf die gleichlautende Rechtsprechung anderer Gerichte hin.

Urteil: Rechtsschutzbedürfnis läge noch nicht vor

Darüber hinaus liege das für jede Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis derzeit noch nicht vor: Gegenwärtig sei noch gar nicht ersichtlich, dass die Versetzung der Klägerin gefährdet sei. Selbst wenn sie in Mathematik wieder eine 5 oder sogar eine 6 bekäme, würde dies nach den schulrechtlichen Vorschriften nicht zwingend zum Sitzenbleiben führen. Wenn ihr die Versetzung doch verweigert würde, könnte sie dies überprüfen lassen - letztlich auch durch das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren.

Möglichkeiten eines Nachteilsausgleichs ausgeschöpft

Die Richterinnen und Richter regten an, dass sich Lehrer und Eltern noch einmal zusammensetzen, um zu überlegen, ob tatsächlich schon alle Möglichkeiten eines Nachteilsausgleichs für die 13-Jährige ausgeschöpft sind. Über solche Maßnahmen hatte das Gericht in dem Verfahren nicht zu entscheiden.

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts kann die Zulassung der Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg beantragt werden.

Gericht:
Verwaltungsgericht Braunschweig, Urteil vom 16.04.2013 - 6 A 204/12

VG Braunschweig
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