Das VG Schleswig hält Teile des Gefahrhundegesetzes für verfassungswidrig. Nicht jeder Hundebiss lasse ohne weiteres auf eine Gefährlichkeit des Hundes schließen. Es müsse die Möglichkeit einer weiteren Überprüfung bestehen, ob ein Hund tatsächlich gefährlich sei.

Der Sachverhalt

Das Verwaltungsgericht Schleswig hält Teile des Schleswig-Holsteinischen Gefahrhundegesetzes für verfassungswidrig und hat dem Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgericht diese Frage zur Entscheidung vorgelegt.

Im zugrundeliegenden Verfahren hatte die zuständige Ordnungsbehörde einen Schäferhund, nachdem er einen anderen Hund gebissen hatte, als gefährlich eingestuft und dem Besitzer aufgegeben, den Hund ständig anzuleinen. An dieser Entscheidung hielt die Behörde auch fest, nach dem in einem tierpsychologischen Gutachten festgestellt worden war, dass vom betreffenden Hund kein erhöhtes Gefahrenpotential ausgehe. Die gesetzliche Wertung, wonach Hunde als gefährlich gelten, wenn sie ein anderes Tier durch Biss geschädigt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, sei auch durch ein Gutachten nicht widerlegbar.

Die Entscheidung

Das Verwaltungsgericht Schleswig hält die entsprechende gesetzliche Regelung (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 Gefahrhundegesetz Schleswig-Holstein) für mit der Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung nicht vereinbar. Sie verstoße sowohl gegen die auch als schleswig-holsteinisches Recht geltenden Grundrechte aus Artikel 1 (Menschenwürde) und 2 (Allgemeine Handlungsfreiheit) des Grundgesetzes als auch gegen das rechtstaatliche Bestimmtheitsgebot.

§ 3 Abs. 3 Nr. 4 Gefahrhundegesetz sei in seiner jetzigen engen Form nicht geeignet, seinen Zweck, den Schutz vor "gefährlichen" Hunden, zu erfüllen. Nicht jeder Hundebiss lasse ohne weiteres auf eine Gefährlichkeit des betreffenden Hundes schließen, sondern stelle insoweit nur ein Indiz dar. Es müsse - die im Gesetz nicht vorgesehene - Möglichkeit einer weiteren Überprüfung bestehen, ob ein Hund tatsächlich gefährlich sei, etwa durch einen Wesenstest.

Nicht jeder Hundebiss spricht für Gefährlichkeit


Das Gesetz in seiner jetzigen Form führe dazu, dass - etwa durch einen tatsächlich nicht gebotenen Leinenzwang - sowohl in grundrechtlich geschützte Positionen der Hundebesitzer eingegriffen als auch gegen das Tierschutzrecht verstoßen werde. Überdies verstoße das Gesetz insoweit gegen den verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Das Verwaltungsgericht Schleswig hat mit Beschluss das zugrundeliegende Klagegefahren ausgesetzt und die Frage der Verfassungsmäßigkeit bzw. Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 3 Nr. 4 Gefahrhundegesetz dem Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgesetz zur Entscheidung vorgelegt.

Gericht:
Verwaltungsgericht Schleswig, Beschluss vom 07.11.2011 - 3 A 27/11

VG Schleswig, PM vom 14.12.2011
Rechtsindex

Entscheidungshinweis:
Das Verwaltungsgericht Schleswig sieht die Regelung des § 3 Abs. 3 Nr. 4 GefHG, wonach Hunde als gefährlich gelten, die ein anderes Tier durch Biss geschädigt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, nicht als verfassungswidrig an.
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