Der Kläger begehrt aus religiösen Gründen eine Ausnahmegenehmigung zur Befreiung von der Helmpflicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun entschieden, dass er einen Helm tragen oder auf das Motorradfahren verzichten muss.

Der Sachverhalt

Der Beklagte (Stadt Konstanz) lehnte den Antrag des Klägers, der Anhänger der Sikh-Religion ist, mit der Begründung ab, die Ausnahmegenehmigung könne nur aus gesundheitlichen Gründen erteilt werden. Jedenfalls liege ein für die beantragte Ausnahmegenehmigung erforderlicher besonders dringender Fall nicht vor.

Der Prozessverlauf

Das Verwaltungsgericht Freiburg (6 K 2929/14 - Urteil vom 29. Oktober 2015) hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (10 S 30/16 - Urteil vom 29. August 2017) den Beklagten verpflichtet, über den Antrag erneut und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Kläger habe zwar keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung, weil eine Reduktion des behördlichen Ermessens auf Null nicht vorliege. Die Versagung der Beklagten beruhe aber auf einer fehlerhaften Ermessensausübung.

Der Beklagte dürfe die Unmöglichkeit des Helmtragens aus gesundheitlichen Gründen nicht großzügiger behandeln als eine Unmöglichkeit aus religiösen Gründen. Überdies habe der Beklagte seine bisherige Verwaltungspraxis im Juli 2017 aufgegeben ohne bislang unter Anwendung der neuen Kriterien über den Antrag des Klägers zu entscheiden.

Mit der bereits vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, den Beklagten zur Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung verpflichten zu lassen. Er trägt insbesondere vor, der Eingriff in seine Religionsfreiheit könne nicht durch die rein hypothetische Annahme etwaiger Unfallfolgen gerechtfertigt werden.

Die Entscheidung

Die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die in § 21a Abs. 2 StVO angeordnete Pflicht, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, kann den Kläger als gläubigen Sikh mittelbar in seiner Religionsausübungsfreiheit beeinträchtigen.

Kläger muss ggf. auf das Motorradfahren verzichten

Er wird hierdurch zwar nicht an der Praktizierung seines Glaubens gehindert; bei der Befolgung der von ihm aus religiösen Gründen als verbindlich empfundenen Pflicht zum Tragen eines Turbans muss er aber auf das Motorradfahren verzichten. Diese Einschränkung ist auch mit Blick auf die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Religionsfreiheit grundsätzlich gerechtfertigt und vom Kläger hinzunehmen, weil sie anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern Dritter dient.

Helmpflicht soll auch andere schützen

Die Helmpflicht soll nicht nur den Motorradfahrer selbst, sondern auch die körperliche und psychische Unversehrtheit anderer Unfallbeteiligter und der Rettungskräfte schützen. Sie können durch den Unfalltod oder durch den Eintritt schwerer Verletzungen bei einem nicht mit einem Schutzhelm gesicherten Motorradfahrer traumatisiert werden.

Ein durch Helm geschützter Motorradfahrer wird zudem im Fall eines Unfalls eher in der Lage sein, zur Rettung anderer Personen beizutragen, etwa indem er die Unfallstelle sichert, Erste Hilfe leistet oder Rettungskräfte ruft.

Die Ausnahme

Ein Anspruch auf Befreiung von der Helmpflicht kann daher allenfalls bestehen, wenn dem Betroffenen der Verzicht auf das Motorradfahren aus besonderen Gründen nicht zugemutet werden kann. Anhaltspunkte hierfür hat der Kläger, der über eine Fahrerlaubnis zum Führen von Pkw verfügt und einen Lieferwagen besitzt, nicht dargelegt.

Rechtsgrundlagen:
§ 21a Abs. 2 StVO, § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO, § 46 Abs. 1 Nr. 5b StVO, Art. 4 Abs. 1 GG

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.07.2019 - 3 C 24.17

BVerwG, PM
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