Ein Fahrgast, der beim Anfahren stürzt, haftet grundsätzlich allein, wenn er sich nach dem Einsteigen in einen Bus nicht sofort festen Halt verschafft. Stürzt der Fahrgast beim Anfahren, so streitet der Beweis des ersten Anscheins, dass der Sturz auf mangelnde Vorsicht des Fahrgastes zurückzuführen ist.

Fahrgast muss sich Halt verschaffen

Es ist anerkannt, dass der Fahrer eines Linienbusses, der seinen Fahrplan einzuhalten hat, regelmäßig nicht verpflichtet ist, seine Fahrgäste dahingehend zu beobachten, ob diese einen Sitzplatz eingenommen oder festen Halt genommen haben. Vielmehr ist der Fahrgast einer Straßenbahn oder eines Linienbusses sich grundsätzlich selbst überlassen und verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen.

Weiter ist anerkannt, dass der Fahrer eines fahrplangebundenen Linienbusses darauf vertrauen darf, dass die Fahrgäste ihrer Verpflichtung, sich stets einen festen Halt zu verschaffen, nachkommen. Dies gilt insbesondere auch vor bzw. bei dem Anfahren von einer Haltestelle, bei der der Busfahrer seine Aufmerksamkeit insbesondere auf den vor ihm liegenden Verkehrsraum und die übrigen Verkehrsteilnehmer richten muss. Auch hier liegt es allein in der Verantwortung des Fahrgastes, für einen sicheren Halt zu sorgen, um nicht bei typischen oder zu erwartenden Bewegungen des Busses zu Fall zu kommen (OLG Koblenz, Urt. v. 14. August 2000 - 12 U 895/99 -; OLG Frankfurt, Urt. v. 15. April 2002 - 1 U 75/01 -; KG Berlin, Urt. v. 7. Mai 2012 - 22 U 251/11).

Busfahrer muss nur ausnahmsweise besondere Rücksicht nehmen

Der Busfahrer muss sich vor dem Anfahrvorgang nur ausnahmsweise vergewissern, ob ein Fahrgast Platz oder Halt im Wagen gefunden hat, wenn eine erkennbare schwere Behinderung des Fahrgastes ihm die Überlegung aufdrängte, dass der Fahrgast ohne besondere Rücksichtnahme gefährdet sei, etwa dieser andernfalls beim Anfahren stürzen werde. Eine erkennbar schwere Behinderung liegt etwa dann vor, wenn ein Gehbehinderter (z. B. Beinamputierter auf Krücken) oder ein blinder Fahrgast den Wagen bestiegen hat.

Alter ist nicht mit schwerwiegender Behinderung gleichzusetzen

Anders als die Klägerin hier im vorliegenden Fall meint, musste der Busfahrer nicht schon aufgrund des erkennbaren Alters der Klägerin oder aus dem Umstand, dass diese einen sogenannten Trolley, mithin eine rollbare Einkaufstasche, mit sich führte, dieser besondere Aufmerksamkeit schenken. Allein das Alter oder der Umstand, dass mehrere große und schwere Taschen oder Gepäck mitgeführt werden, ist nicht mit einer schwerwiegenden Behinderung gleichzusetzen.

Gericht:
Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 26.06.2018 - 14 U 70/18

OLG Celle
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