Gerade in Wohngegenden sind die Straßenränder regelmäßig mit Kfz zugeparkt. Autofahrer müssen hier einen regelrechten Slalom zurücklegen und bei Gegenverkehr eventuell sogar hinter den geparkten Fahrzeugen kurzzeitig anhalten. Bevor sie weiterfahren, sollten sie sich jedoch vergewissern, dass sich von hinten kein Pkw nähert, der sie überholen möchte. Wer nämlich blindlings losfährt und mit dem Überholenden zusammenkracht, muss haften.

Autofahrer muss verkehrsbedingt anhalten

Ein BMW-Fahrer wollte gerade an einem geparkten Wagen passieren - bemerkte aber noch rechtzeitig einen entgegenkommenden Pkw. Um diesen vorbeifahren zu lassen, lenkte er seinen BMW schräg hinter das am Straßenrand geparkte Fahrzeug. Als sich der Gegenverkehr entfernt hatte, gab der BMW-Fahrer Gas und krachte prompt mit einer Suzuki-Fahrerin zusammen, die ihn gerade überholen wollte.

Die Frau verlangte daraufhin Schadenersatz - schließlich sei ihr Unfallgegner blindlings aus seiner Parklücke gerast und daher überwiegend an der Kollision schuld. Der BMW-Fahrer dagegen erklärte, dass die Unfallbeteiligte leicht hätte erkennen können, dass er nicht parkt, sondern nur kurz angehalten hat. So habe er etwa genau vor einer Garageneinfahrt und schräg versetzt gestanden. Im Übrigen hätte die Frau die Bremslichter seines Wagens deutlich erkennen müssen und daher nicht einfach einen Überholversuch starten dürfen. Weil er jegliche Zahlung ablehnte, zog die Suzuki-Fahrerin vor Gericht.

Überholerin trägt Mitschuld am Unfall

Das Amtsgericht (AG) Neuss entschied, dass der BMW-Fahrer den Schaden seiner Unfallgegnerin nur zu zwei Drittel ersetzen muss.

Weiterfahrt nur nach doppelter Rückschau

Der BMW-Fahrer hat gegen § 6 Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen. Schließlich war er blindlings hinter dem parkenden Kfz ausgeschert und weitergefahren, ohne dies - z. B. mittels Blinker - anzuzeigen und sich davon zu überzeugen, dass er den nachfolgenden Verkehr nicht gefährdet.

Die Suzuki-Fahrerin befand sich zum Unfallzeitpunkt mit ihrem Wagen bereits neben ihm - sie wäre deshalb mit einem Blick in den Rückspiegel bzw. einem Schulterblick leicht zu erkennen gewesen. In diesem Fall hätte der BMW-Fahrer kein Gas gegeben und den Unfall somit vermeiden können. Damit war sein Fehlverhalten größtenteils für die Kollision verantwortlich.

Kein Überholen bei unklarer Verkehrslage

Aber auch die Suzuki-Fahrerin war am Zusammenstoß nicht ganz unschuldig. Gemäß § 5 StVO ist ein Überholen nämlich nur erlaubt, wenn die Verkehrslage klar und währenddessen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Vorliegend war die Verkehrslage aber eher unübersichtlich. Denn der BMW-Fahrer stand auf dem Bremspedal, was an den leuchtenden Bremslichtern zu erkennen war. Auch stand er leicht versetzt vor einer Garagenzufahrt, was insgesamt den Schluss zuließ, dass der Autofahrer nur verkehrsbedingt - nämlich wegen des Gegenverkehrs an der Engstelle - kurz anhalten und bei Freiwerden der Engstelle unverzüglich weiterfahren würde.

Die Frau ist somit schlicht und ergreifend unaufmerksam gewesen - entweder, weil sie den BMW-Fahrer gar nicht bemerkt hat, oder weil sie fälschlicherweise darauf vertraute, dass er stehenbleibt und sie zuerst vorbeifahren lässt. Damit hat sie den Unfall jedoch mitverursacht, weshalb sie auch zu einem Drittel mithaften musste.

Gericht:
Amtsgericht Neuss, Urteil vom 29.03.2017 - 79 C 653/16

Sandra Voigt
Assessorin
Redakteurin - Juristische Redaktion
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