Aus der Entscheidung
Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein sehr starker Drang zur Verrichtung der Notdurft, der durch eine besondere körperliche Disposition des Betroffenen bedingt und der ursächlich für die Geschwindigkeitsüberschreitung sei, einen Grund darstellen könne, vom Regelfahrverbot abzusehen. Dies sei aber keineswegs der Normalfall.
Ob die durch eine Blasenschwäche hervorgerufene Situation ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigt, hat der Bußgeldrichter im Einzelfall festzustellen.Absehen vom Fahrverbot ist Einzelfallprüfung
Der bloße Umstand einer bestimmten körperlichen Disposition reiche insoweit noch nicht, andernfalls erhalte der betroffene Personenkreis gleichsam einen "Freibrief" für pflichtwidriges Verhalten im Straßenverkehr. Grundsätzlich müsse ein Betroffener mit einer solchen körperlichen Disposition seine Fahrt entsprechend planen, gewisse Unwägbarkeiten (wie etwa Stau, Umleitungen etc.) in seine Planungen einstellen und entsprechende Vorkehrungen treffen.
Gegebenfalls muss er auf anfänglich aufgetretenen Harn- oder Stuhldrang rechtzeitig reagieren, damit ihn ein starker Drang zur Verrichtung der Notdurft nicht zu pflichtwidrigem Verhalten verleite. Ausgehend hiervon müsse der Bußgeldrichter die näheren Umstände einer solchen Fahrt auch in die Erwägungen zur Rechtsfolgenbemessung einbeziehen.
Der Bußgeldrichter muss also die Umstände berücksichtigen, unter denen sich der Betroffene zu der Fahrt entschlossen habe. Er hat zu klären, wie der Betroffene auf seinen Harndrang während der Fahrt habe reagieren können. Weiter werde auch zu prüfen sein, ob das Auftreten eines dringenden Harndrangs eine Situation sei, in welche der Betroffene häufiger komme.
In diesem Fall müsse er sich hierauf entsprechend einstellen und es würde das Maß seiner Pflichtwidrigkeit gerade zu erhöhen, wenn er gleichwohl ein Fahrzeug führe, obwohl er wegen quälenden Harndrang so "abgelenkt" gewesen sei, dass er der zulässigen Höchstgeschwindigkeit keine Beachtung mehr habe schenken können.
Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, weil obenstehende Feststellungen im Urteil fehlten.
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 10.10.2017 - 4 RBs 326/17
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