Das Strafgericht entzog einem Autofahrer wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis. Neuerteilungsantrag: Die Behörde fordert eine MPU. Mit seiner Berufung machte der Autofahrer u.a. geltend, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV erfasse nur eine vorherige Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Behörde, nicht aber durch den Strafrichter.

Der Sachverhalt

Der Kläger wurde wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 1,49 Promille Blutalkoholkonzentration rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Strafgericht entzog ihm zugleich die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperrfrist für deren Neuerteilung an. Im Oktober 2012 beantragte der Kläger beim Landratsamt Ortenaukreis (Beklagter) die Neuerteilung der Fahrerlaubnis.

Da die Behörde den Antrag nicht beschied, erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg (VG) Klage. Anschließend forderte die Behörde ihn auf, ein medizinisch-psychologisches Eignungsgutachten beizubringen.

Der Beklagte stützte seine Anordnung auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV; die Fahrerlaubnis sei aus dem in Buchstabe a) dieser Vorschrift genannten Grund "Alkoholmissbrauch" entzogen worden. Der Kläger legte kein Gutachten vor. Das VG wies seine Klage daraufhin ab.

Mit seiner Berufung machte der Kläger u.a. geltend, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV erfasse nur eine vorherige Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Behörde, nicht aber durch den Strafrichter. Die vom VG im Anschluss an die Rechtsprechung des VGH vertretene weite Auslegung der Vorschrift widerspreche der Gesetzessystematik und werde in anderen Bundesländern, etwa in Bayern, zu Recht nicht geteilt.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

Der VGH hat seine Rechtsprechung bestätigt und die Berufung zurückgewiesen. Die Fahrerlaubnisbehörde habe den Kläger zu Recht zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens aufgefordert und aufgrund der Nichtbeibringung des Gutachtens auf das Fehlen der Kraftfahreignung des Klägers geschlossen.

Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss gemäß § 69 StGB löst im Sinne einer Tatbestandswirkung ohne Weiteres die Notwendigkeit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung aus; die Vorschrift des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst d FeV knüpft explizit nicht an eine Kumulation der Gründe a) bis c) für die frühere Entziehung der Fahrerlaubnis an, sondern alternativ an das frühere Vorliegen eines dieser Gründe (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Urteil vom 18.06.2012 - 10 S 452/10 - VBlBW 2013, 19; sowie Senatsbeschluss vom 15.01.2014 - 10 S 1748/13 - VBlBW 2014, 348).

Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter

Bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss sei nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV stets ohne Weiteres eine MPU anzuordnen. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätige dies. Der Verordnungsgeber messe der strafgerichtlichen Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt eigenständige Bedeutung zu. Auch eine solche Entscheidung gebe nach Ablauf der Sperrfrist noch Anlass zu Eignungszweifeln. Es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob bei der Trunkenheitsfahrt der ansonsten geltende Schwellenwert von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c) FeV) überschritten worden sei.

Auffangvorschrift § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a)

Unabhängig davon sei hier die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch nach der Auffangvorschrift des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) FeV rechtmäßig. Eine Gutachtensanordnung nach der Auffangvorschrift des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV komme auch dann in Betracht, wenn der Schwellenwert nach Buchst. c von 1,6 Promille bei der Trunkenheitsfahrt knapp unterschritten wurde, jedoch deutliche Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung des Betroffenen wie etwa das Fehlen jeglicher Ausfallerscheinungen vorlägen. Daher habe die Behörde bei einer Gesamtschau auf eine gravierende Alkoholproblematik schließen dürfen.

Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen

Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Die Anwendung der genannten Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung werfe in der vorliegenden Fallgestaltung Fragen auf, die in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet würden und vom Bundesverwaltungsgericht noch nicht abschließend geklärt seien.  (Az.: 10 S 116/15).

Gericht:
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 07.07.2015 - 10 S 116/15

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VGH Baden-Württemberg
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