Für den VGH in Bayern ist offen, ob nach der Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer einmaligen Alkoholfahrt mit einer BAK von weniger als 1,6 Promille oder einer AAK von weniger als 0,8 mg/l die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zwingend die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens voraussetzt.

Zur Sache

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs schließt bei einer einmaliger Alkoholfahrt mit Werten unter 1,6 Promille BAK bzw. 0,8 mg/l AAK die Vorschrift des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c den Rückgriff auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV für eine Gutachtensanordnung aus und zwar im Rahmen des Ersterteilungs-, des Wiedererteilungs- und des Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens (BayVGH, Beschluss vom 20.03.2009, 11 CE 08.3308, juris Rn. 13; Beschluss vom 09.02.2009, 11 CE 08.3028, juris Rn. 14).

In diesen Fällen müssten für eine Gutachtensanordnung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV zusätzliche Tatsachen vorliegen, die für die Annahme von Alkoholmissbrauch sprechen, d.h. es müssten zur einmaligen Trunkenheitsfahrt mit weniger als 1,6 Promille BAK bzw. 0,8 mg/l AAK Umstände hinzutreten, denen eine annähernd gleich starke Aussagekraft dafür zukommt, dass der Betroffene den Konsum von Alkohol und das Fahren nicht zu trennen vermag (vgl. BayVGH, Beschluss vom 25.10.2010, 11 ZB 08.3166, juris Rn. 13).

Die Vorschrift des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV hat der bayerische Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang nicht thematisiert.

Die Rechtsprechung des VGH Mannheim

Demgegenüber hat der VGH Mannheim nunmehr entschieden, dass die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss (auch unterhalb des Wertes von 1,6 Promille bzw. 0,8 mg/l) im Neuerteilungsverfahren gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV zwingend zur Anordnung einer medizinischpsychologischen Untersuchung führt (Beschluss vom 15.01.2014, 10 S 1748/13, Rn. 9; Beschluss vom 18.06.2012, 10 S 452/10, Rn. 48).

Der VGH Mannheim hebt zur Begründung darauf ab, dass § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV im Sinne einer Tatbestandswirkung lediglich an die in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b und c FeV erwähnten Sachgründe anknüpfe (VGH Mannheim je a.a.O.), wobei eine strafbewehrte Alkoholfahrt einen Alkoholmissbrauch im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV belege (Beschluss vom 15.01.2014, 10 S 1748/13, Rn. 10; Beschluss vom 18.06.2012, 10 S 452/10, Rn. 49).

Für die Auffassung des VGH Mannheim mag – über seine kurz gehaltene Begründung hinausgehend – sprechen, dass bei Neuerteilungen nach vorangegangener Entziehung das Vorrangverhältnis des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV gegenüber § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV schon über § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV gilt und § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV überflüssig wäre, wenn auch er auf dieses Vorrangverhältnis Bezug nehmen würde. Ein eigenständiger Anwendungsbereich für § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV ist nur in der Auslegung des VGH Mannheim ersichtlich.

Orientierungssatz des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (11 CE 14.1776)

Es ist offen, ob nach der strafgerichtlichen Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer einmaligen Alkoholfahrt mit einer BAK von weniger als 1,6 Promille oder einer AAK von weniger als 0,8 mg/l die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zwingend die Beibringung eines auf der Grundlage des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV anzufordernden medizinisch-psychologischen Gutachtens voraussetzt oder ob auch bei Anwendung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV ein Vorrangverhältnis von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV gegenüber § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV mit der Folge besteht, dass ein solches Gutachten nicht verlangt werden kann.

Die im Orientierungssatz aufgeworfene Frage hat praktisch erhebliche Bedeutung und wird wohl erst höchstrichterlich endgültig geklärt werden können, zumal die Motive des Normgebers unklar sind.

Themenindex:
Wiedererteilungsverfahren, MPU, Trunkenheitsfahrt

Gericht:
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 08.10.2014 - 11 CE 14.1776

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