So sehen die Gerichte die Sachlage

Nach einem Verkehrsunfall fragen sich viele: Lasse ich den beschädigten Wagen tatsächlich reparieren oder behalte ich ganz einfach das Geld für die Reparatur und lasse den Wagen wie er ist? Wir erleben es immer wieder, dass die Frage an uns herangetragen wird, ob es überhaupt rechtens sei, sich die Kosten für die Reparatur des Fahrzeugs ersetzen zu lassen, wenn man diesen überhaupt nicht reparieren lassen möchte. Vor allem stellt sich hier vielen auch die berechtigte Frage, wie hoch diese sog. fiktiven Reparaturkosten denn überhaupt sein dürfen?

Hierzu ein paar kurze Antworten: Grundsätzlich hat der Geschädigte nach einem Unfall das Recht, sich die Reparaturkosten auch dann von der Versicherung erstatten zu lassen, wenn er überhaupt nicht vorhat, den Wagen zu reparieren. Das Gesetz sieht nämlich nur vor, dass der Geschädigte so zu stellen ist, wie er stehen würde, wenn der Unfall nicht passiert wäre. Der Geschädigte hat hierbei die Wahl, ob er sich den Wagen vom Unfallverursacher reparieren lassen will (sofern das möglich ist) oder ob er lieber das Geld für die Reparatur auszahlen lassen möchte. Was er dann letztlich mit dem Geld macht, schreibt das Gesetz ihm nicht vor.

Aber Reparatur ist natürlich nicht gleich Reparatur. Die Reparatur in der no-Name Hinterhofwerkstatt ist sicherlich wesentlich günstiger als die im Porsche oder Daimler-Benz Zentrum. Es stellt sich die vollkommen berechtigte Frage, welche Reparaturkosten denn jetzt verlangt werden dürfen, denn qualitativ müssen sich die Reparaturen der Hinterhofwerkstatt und der Markenwerkstatt ja überhaupt nicht unterscheiden.

Die Rechtsprechung hat diese Frage – auch jüngst wieder - geklärt: Es muss nicht die günstigste Werkstatt gewählt werden um einen Kostenvoranschlag einzuholen oder eine Reparatur durchzuführen. Auch die Reparatur in einer teuren Markenwerkstatt ist ersatzfähig, da diese vertauens- und damit wertbildenden Charakter hat. Dies gilt auch für den Fall, dass das Fahrzeug überhaupt nicht repariert werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2003, Az. VI ZR 398/02; AG Augsburg, Urteil vom 21.05.2008, Az. 13 C 1145/08; AG Lahnstein, Urteil vom 26.05.2008, Az. 2 C 65/08).

Aber Vorsicht: Dies stellt keinen Freifahrschein zum Stellen horrender Rechnungen dar! Denn auch der Geschädigte hat die Pflicht, den Schaden möglichst gering zu halten. Hierzu zählt in der Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung der Schadenshöhe. Wer gegen diese sog. „Schadensminderungspflicht“ verstößt, muss mit einer Kürzung seines Schadensersatzanspruches rechnen. In zweifelhaften Fällen ist hier eine anwaltliche Beratung also durchaus zu anzuraten. Grundsätzlich kann der Geschädigte aber immer fiktiv nach dem Kostenvoranschlag der für sein Fahrzeug zuständigen Markenwerkstatt abrechnen auch ohne zu reparieren. Zu beachten ist jedoch, dass die Mehrwertsteuer nur im Fall der tatsächlichen Reparatur in angefallener Höhe ersetzt wird.

Tim Geißler, Rechtsanwalt
GKS Rechtsanwälte Tel.: 0202 – 245 67 – 0
www.gks-rechtsanwaelte.de