Wer den Betrieb einer Geschwindigkeitsmessanlage dadurch verhindert, indem er sein Fahrzeug vor einem "Blitzer" abstellt, macht sich nach § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht strafbar. Mangels Einwirken auf das Gerät läge keine Strafbarkeit wegen Störung öffentlicher Betriebe vor.

Der Sachverhalt

Am frühen Morgen wurde ein Autofahrer mit einer überhöhten Geschwindigkeit von 43 km/h "geblitzt". Darüber hatte sich der Autofahrer so geärgert, dass er seinen Kastenwagen direkt vor der Geschwindigkeitsmessanlage abstellte. Der Sensor konnte somit keine Fahrzeuge mehr erfassen und weitere Messungen waren nicht mehr möglich.

Darum ging es dem Autofahrer und zufrieden entfernte er sich zu Fuß und suchte seine nahegelegene Wohnung auf. Der Messbeamte ermittelte daraufhin die Telefonnummer des Autofahrer und rief diesen auf dessen Mobiltelefon an. Nachdem der Autofahrer erkannt hatte, dass es sich bei dem Anrufer um den Messbeamten handelte, legte er auf.

Nachdem weitere Folgeanrufe ohne Erfolg blieben, begab sich der Messbeamte zur Wohnung des Autofahrers und forderte ihn auf, den Kastenwagen wegzufahren. Der Autofahrer dachte nicht daran, schließlich könne er sein Fahrzeug jederzeit auch vor einer Messeinrichtung parken, wenn dort kein Parkverbot herrsche. Auch auf die Androhung des Abschleppens reagierte der Autofahrer nicht. Der Messbeamte ging zurück zu seinem Messfahrzeug und rief den Abschleppdienst an.

Autofahrer stellt Traktor vor "Blitzer"

Just in diesem Moment kam der Autofahrer mit einem Traktor und einem Zweiachsanhänger angefahren. Er stellte den Kastenwagen weg und parkte stattdessen den Traktor an dieser Stelle. Zudem senkte er den Frontlader des Fahrzeugs ab. Die an ihn gerichtete Aufforderung, den Traktor wegzustellen, ignorierte der Autfahrer und fuhr mit seinem Kastenwagen davon.

Der inzwischen eingetroffene Abschleppunternehmer konnte den Traktor nicht abschleppen, da der Frontlader des Fahrzeugs herabgelassen war. Nachdem schließlich Polizeibeamte hinzugekommen waren, fuhr der Autofahrer den Traktor weg. Die Messstelle konnte ca. eine Stunde lang nicht betrieben werden, was auch in der Absicht des Autofahrers lag.

Vorinstanz: Das Urteil des Amtsgerichts

Nach Auffassung des Amtsgerichts sei der Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 Alt. 1 StGB verwirklicht, weil der angeklagte Autofahrer Gewalt angewendet habe, um den Messbeamten zum Unterlassen weiterer Messungen zu zwingen. Die Gewaltanwendung zur Durchsetzung des von ihm verfolgten Ziels sei auch verwerflich im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB gewesen. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt. Dagegen legte er Rechtsmittel ein.

Vorinstanz: Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe

Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist der Auffassung, dass die Feststellungen des Amtsgerichts den Schuldspruch wegen Nötigung nicht tragen, weil durch sie nicht belegt sei, dass gegen den Messbeamten Gewalt im Sinne einer körperlichen Zwangswirkung ausgeübt worden sei. Vielmehr habe der Angeklagte mit seinem Vorgehen den Tatbestand der Störung öffentlicher Betriebe gemäß § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht. Es beabsichtigt daher, in entsprechender Anwendung des § 354 StPO den Schuldspruch dahingehend abzuändern, dass der Angeklagte der Störung öffentlicher Betriebe gemäß § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB schuldig ist, und im Übrigen die Revision des Angeklagten durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Nur aufgrund einer besonderen Prozesskonstellation sah sich das OLG gezwungen den BGH anzurufen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Die Unbrauchbarmachung einer dem Betrieb dienenden Sache gemäß § 316 b Abs. 1 Nr. 3 StGB erfordert für ein tatbestandsmäßiges Verhalten eine Einwirkung auf die Sachsubstanz.

1. § 316b Abs. 1 StGB weist eine zweiaktige Struktur auf. Der Tatbestand setzt für den hier allein in Frage kommenden § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB eine Störung oder eine Verhinderung des Betriebs einer der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienenden Anlage voraus. Diese Störung oder Verhinderung muss ihre Ursache (siehe nur Fischer, StGB, 60. Aufl., § 316b Rn. 6) darin haben, dass eine dem Betrieb dienende Sache zerstört, beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar gemacht oder - was hier ersichtlich von vornherein nicht in Frage kommt - die für den Betrieb bestimmte elektrische Kraft entzogen wird.

Hier kommt allenfalls das Merkmal des Unbrauchbarmachens einer dem Betrieb dienenden Sache, dem wie auch immer technisch gestalteten Messgerät, in Betracht, was aber entgegen der vom vorlegenden Oberlandesgericht vertretenen Auffassung ebenfalls ausscheidet.

2. Vorliegend hat der angeklagte Autofahrer die beabsichtigten Geschwindigkeitsmessungen allein dadurch verhindert, dass er mit seinen jeweils in Richtung des Messstrahls geparkten Fahrzeugen Messungen anderer vorbeifahrender Fahrzeuge verhinderte. Dabei wirkte er jedoch nicht einmal äußerlich durch Beschmieren oder bspw. Bekleben auf die Substanz der Sache ein. Es lag mithin keine Manipulation an dem Messgerät selbst oder einem wesentlichen Teil davon vor, die zu einer tatsächlichen Funktionsminderung geführt haben könnte, was aber Voraussetzung einer Tatbestandsmäßigkeit wäre (zur Erforderlichkeit einer Einwirkung auf die Sachsubstanz vgl. OLG Celle, NStZ 2005, 217; BVerfG NVwZ 2006, 583; LK-StGB/Wolff, 12. Aufl., § 317 Rn. 9, 11; SK-StGB/Wolters, 129. Lief. § 316b Rn. 10; Fischer, aaO; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 316b Rn. 5).

Mit dem Parken seiner Fahrzeuge vor dem Sensor der Messeinheit hat der Angeklagte zwar weitere Messungen anderer Fahrzeuge verhindert, an einem direkten Einwirken auf die Sachsubstanz fehlte es aber. Dies erweist sich schon daraus, dass bereits ein leichtes Versetzen des Messfahrzeuges oder (je nach Gerät) auch nur der Messeinrichtung Messungen wieder möglich gemacht hätte.

Das Oberlandesgericht hat bei der Beurteilung des Vorliegens der Tathandlung gemäß § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB im rechtlichen Ausgangspunkt nicht ausreichend deutlich zwischen dem Unbrauchbarmachen der dem Betrieb einer Anlage oder Einrichtung dienenden Sache und der dadurch verursachten Verhinderung oder Störung des Betriebs der Anlage oder Einrichtung unterschieden. Das trägt der Struktur des Tatbestandes nicht genügend Rechnung.

Vor allem aber hat es in rechtlich nicht vertretbarer Weise bei dem Merkmal des Unbrauchbarmachens auf das Erfordernis einer Einwirkung auf die Sachsubstanz verzichtet. Die Notwendigkeit einer solchen Art der Einwirkung ergibt sich für das Unbrauchbarmachen jedoch eindeutig aus dem systematischen Vergleich mit den übrigen in dem Tatbestand genannten Tathandlungen (Zerstören, Beschädigen, Beseitigen, Verändern). Dementsprechend wird - wie aufgezeigt (III. 2.) - eine Sachsubstanzeinwirkung für ein tatbestandsmäßiges Verhalten vorausgesetzt.

Gericht:
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2013 - 1 StR 469/12

Bundesgerichtshof
Rechtsindex - Recht & Urteil

Anmerkung der Red.: Dieser Beitrag soll nicht zum Nachmachen animieren und dient lediglich zur Information und soll zur Diskussion über die Rechtsauffassung anregen.