Üblich ist die 1,3-Gebühr bei durchschnittlichen Verkehrsunfallsachen. Aber auch eine geforderte 1,5 fache Geschäftsgebühr unterliegt nicht der gerichtlichen Kontrolle, da dies dem 20%igen Ermessensspielraum des Rechtsanwaltes entspreche, so das Urteil des BGH.

Der Sachverhalt

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls. Er hat mit seiner Klage ursprünglich einen Unfallschaden in Höhe von 7.141,60 € sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 759,22 € geltend gemacht, wobei er bei den Anwaltskosten eine 1,5-Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG berechnet hat. Das Berufungsgericht sah eine höhere Gebühr als 1,3 als nicht gerechtfertigt. Vielmehr lasse die Anmerkung Nr. 2300 VV RVG bei durchschnittlichen Sachen eine höhere Gebühr als 1,3 nicht zu. Nach dieser Anmerkung könne eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig sei.

Die Entscheidung

Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

Amtlicher Leitzsatz:  [...] Bei Rahmengebühren im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG, zu denen die Geschäftsgebühr im Sinne der Nr. 2300 VV RVG zählt, steht dem Rechtsanwalt ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 % zu (im Anschluss an BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - IX ZR 110/10, NJW 2011, 1603). [...]

Ist die Gebühr, wie hier, von einem Dritten (Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer ) zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG (nur dann) nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Dem Rechtsanwalt steht nach überwiegender Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein Ermessensspielraum von 20 % zu.

Ermessenspielraum von 20%

Hält sich der Rechtsanwalt innerhalb dieser Grenze und ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit unterdurchschnittlich war, ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und daher von dem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen (BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - IX ZR 110/10, aaO Rn. 16, 18; Senatsurteil vom 31. Oktober 2006 - VI ZR 261/05, aaO Rn. 9).

Themenindex:
RVG § 14 Abs. 1 Satz 1, RVG VV Nr. 2300

Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.05.2012 - VI ZR 273/11 (Volltext des BGH)

Vorinstanzen:
Landgericht Koblenz, Entscheidung vom 14.05.2010 - 5 O 153/08
Oberlandesgericht Koblenz, Entscheidung vom 05.09.2011 - 12 U 713/10

Rechtsindex - Recht & Urteil


Entscheidungshinweis:

RVG § 14 Abs. 1; RVG-VV Nr. 2300
Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war, und ist deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20 % der gerichtlichen Überprüfung entzogen (Fortführung von BGH, Urteile vom 13. Januar 2011 - IX ZR 110/10, NJW 2011, 1603; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 273/11, juris). [Amtlicher Leitsatz] - BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 - VIII ZR 323/11