Das bei bestimmten Baumarten bestehende Risiko eines natürlichen Bruchs gesunder Äste begründet jedenfalls im Bereich von Parkplätzen keine Amtspflicht zur Beseitigung des gesamten Baumes oder wesentlicher Teile seiner Krone.

Der Sachverhalt

Der Infodienst Recht und Steuern der LBS teilt folgenden Sachverhalt mit: Der Halter eines Pkw hatte seine Limousine der gehobenen Mittelklasse auf einem dafür vorgesehenen Parkplatz eines städtischen Schwimmbades unter einer Pappel abgestellt. Als er wiederkam, sah einiges anders aus. Ein größerer Ast dieses Baumes war herabgestürzt und hatte den Lack des Fahrzeugs beschädigt. Der Betroffene forderte vom Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Pappel stand, gut 1.200 Euro Reparatur- und knapp 400 Euro Gutachterkosten.

Die Begründung: Der abgebrochene Ast sei morsch gewesen. Den schlechten Zustand des Baumes habe man auch von außen erkennen können. Die beklagte Stadt hätte dagegen einschreiten und den Baum rechtzeitig beschneiden müssen, um die Gefahren zu minimieren. Das bestritt die Beklagte. Weniger als ein Jahr zuvor habe ein Sachverständiger die Pappel begutachtet und nichts Bedenkliches festgestellt.

Die Entscheidung

Die Richter gaben dem Grundstückseigentümer Recht. Selbst wenn es sich um eine Pappel handle - eine Baumart, bei der auch gesunde Äste überraschend brechen können - bestehe keine Pflicht zur vorsorglichen Beschneidung. Das sei nur dann nötig, wenn konkrete Anzeichen für eine Gefahr bestünden. Davon könne man hier nicht sprechen.

Sichtkontrollen der Bäume


Aus dem Urteil: [...] Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt in solchen Fällen nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen (BGH, NJW 1965, 815; NJW 2004, 1381). Aus diesen Grundsätzen folgt die Pflicht zu regelmäßigen Kontrollen, wobei die Länge des Kontrollintervalls unterschiedlich beurteilt wird (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 1994, 358; OLG Koblenz, NJW-RR 1986, 1086 (eine Kontrolle im Jahr) einerseits und OLG Hamm, VersR 1997, 1148; OLG Düsseldorf, VersR 1992, 467 (zwei Sichtkontrollen im Jahr) andererseits, eingehend Schneider, VersR 2007, 743, 747 ff; Fürstenberg, DAR 2007, 293; Bauer, DAR 2008, 109) [...]

Waren die Sichtkontrollen ausreichend?

Aus dem Urteil: [...] Es kann dahingestellt bleiben, ob die vor dem Unfalltag von der Beklagten behauptete Sichtkontrolle tatsächlich stattgefunden hat und ob das zeitliche Kontrollintervall ausreichend ist. Denn das Landgericht hat zu Recht selbst bei einer unterstellten Pflichtverletzung der Beklagten durch unzureichende Kontrolle die Ursächlichkeit einer etwaigen Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden verneint. Dieser Nachweis obliegt dem Geschädigten (BGH, NJW 2004, 1381). Er muss daher beweisen, dass eine ordnungsgemäßen Überwachung zu weiteren Maßnahmen Anlass gegeben hätte (vgl. OLG Hamm, VersR 1993, 1452). Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nicht anzunehmen, da es nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. L gerade keine Anzeichen für eine Erkrankung des Baumes gegeben hat und dieser bei einer Kontrolle folglich als gesunder Baum nicht aufgefallen wäre. [...]

Grundsätzlich sei es begrüßenswert, wenn im Kern einer Stadt ein möglichst hoher Baumbestand zur Verfügung stehe. Ein gelegentlicher natürlicher Astbruch gehöre zu den hinzunehmenden Lebensrisiken. Die Wahrscheinlichkeit, dadurch zu Schaden zu kommen, sei "wesentlich geringer" als andere Gefahren im Straßenverkehr, so der Infodienst der LBS.

Themenindex:
Verkehrssicherungspflicht, Amtshaftung, Baumkontrolle

Gericht:
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 21.10.2010, 12 U 103/10

Vorinstanz:
LG Mannheim, 12.05.2010 - 6 O 101/09

Fundstellen:
DAR 2011, 30; MDR 2011, 292

Quellen: Recht und Steuern der LBS, OLG Karlsruhe
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