Ein Autofahrer fuhr rückwärts aus einer Parkbucht. Während die anderen Autofahrer warteten, um ihm das Ausparken zu ermöglichen, scherte der hinterste Autofahrer aus, überfuhr eine durchgezogene Linie, überholte links die Wartenden und es kam zum Unfall mit dem Ausparker. Wie ist die Haftungsquote?

Der Sachverhalt

Wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (www.anwaltshotline.de) berichtet, hatten die auf der Straße fahrenden Autos angehalten, um dem Ausparker die Ausfahrt aus der Parkbucht vor dem Supermarkt zu ermöglichen. Ein Opel-Fahrer aber, der den Grund für den verkehrsbedingten Halt vor ihm offenbar nicht mitbekommen hatte, fuhr links an der stehenden Fahrzeugkolonne vorbei und kollidierte mit dem just in diesem Moment rückwärts herausfahrenden Wagen. Der wollte jetzt dem Opel-Fahrer die Hauptschuld zuschieben. Schließlich hätte der zu Beginn seines Überholvorgangs die durchgezogene Trennlinie überfahren.

Die Entscheidung

Wer sich mit seinem Pkw im Rückwärtsgang in den fließenden Verkehr einordnet, hat stets besondere Sorgfalt walten zu lassen und jegliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden. Er trägt die Hauptverantwortung, wenn es dabei zu einem Zusammenstoß kommt. Ein Idealfahrer hätte in der gegebenen Situation auch mit überholenden Fahrzeugen gerechnet.

Aber auch der Opel-Fahrer haftet nach § 7 Abs. 1 StVG für die Unfallfolgen. Auch für ihn beruhte der Unfall nicht auf höherer Gewalt. Die Kollision war für ihn auch nicht unvermeidbar im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG. Ein Idealfahrer hätte in der gegebenen Situation die Fahrzeugschlange nicht überholt.

Überfahren der Trennlinie

Aus dem Urteil geht hervor, dass auch der unstreitige Umstand, dass der Opel-Fahrer unter Überfahrung einer durchgezogenen Linie eine Fahrzeugschlange überholt hat, nicht zu einem atypischen Geschehensablauf führt. Es ist anerkannt, dass nicht jede Verkehrswidrigkeit des Bevorrechtigten die Typizität entfallen lässt. Selbst eine unstreitige oder nachgewiesene Geschwindigkeitsüberschreitung führt nicht in jedem Fall zu einem atypischen Geschehensablauf. Bei zulässigen 50 km/h liegen Überschreitungen bis zu 75 km/h noch im Rahmen des noch zu erwartenden Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer. Es gehört auch noch zu den typischen Verhaltensweisen von Verkehrsteilnehmern, dass sie nicht am Ende einer Fahrzeugschlange anhalten, sondern - auch unter Benutzung der Gegenfahrbahn - die Kolonne überholen (so auch KG Berlin NZV 1988, 376).

Haftungsquote

Die Verletzung der Sorgfaltspflicht des Rückwärtsfahrers gilt als unfallursächlich. Hätte er während seiner Rückwärtsfahrt den Raum seitlich und hinter sich ausreichend beobachtet, wäre der Zusammenstoß nämlich vermeidbar gewesen. Somit hat er die überwiegende Schuld an dem Unfall. Dass laut Urteilsspruch trotzdem auch der Opel-Fahrer für 1/3 des Schadens zur Kasse gebeten wurde, hängt mit dessen Betriebsgefahr zusammen. Während des Unfalls war sie durch das Überfahren der Trennlinie und das Überholen der Fahrzeugkolonne als erhöht anzusehen.

Gericht:
OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.05.2011 - I-1 U 149/10

Quelle: www.rechtsindex.de, www.anwaltshotline.de