Ein Internet-User loggte sich mit seiner Webcam in den Chatroom eines sozialen Netzwerks ein, in dem bereits 18 weitere User online waren. Offensichtlich wollte sich der User nicht unterhalten, denn er entblößte sich vor der Kamera und begann damit, was andere nicht sehen wollten. Er wurde nach § 184 d StGB verurteilt. Zu Recht?

Der Sachverhalt

Der Angeklagte hatte sich mittels seines Computers über Internet in einem sozialen Netzwerk und dort in einem Chatroom eingeloggt, dessen Besonderheit darin bestand, dass sich die darin "chattenden" Mitglieder und Gäste über ihre Webcam anderen Nutzern visuell zeigen konnten.

Als der Angeklagte seine Webcam aktivierte, waren etwa 18 weitere User in dem Chatroom anwesend. Darunter auch die Moderatorin, die beauftragt war, ob in dem Chat verbotene oder anstößige Inhalte verbreitet werden.

Der Angeklagte entblößte sich und begann zu onanieren, während seine Webcam auf seine Oberschenkel, sein Geschlechtsteil und seinen Oberkörper ausgerichtet war. Mindestens ein anderer Chatroom-Teilnehmer verfolgte diese Aktion und beschwerte sich bei der Moderatorin welche den Portalbetreiber aufmerksam machte, der die Übertragung nach eigener Anmeldung und Überprüfung sofort unterbrach.

Das Amtsgericht sprach den Angeklagten vom Vorwurf der Erregung öffentlichen Ärgernisses frei. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht das freisprechende Urteil auf und verurteilte den Angeklagten wegen der Verbreitung pornographischer Darbietungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste nach § 184 d StGB zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 EUR. Dagegen legte der Angeklagte Rechtsmittel ein.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe

Das Rechtsmittel hat vorläufigen Erfolg. Der bloße Nutzer eines Internet Chatrooms ist jedenfalls dann kein tauglicher Täter im Sinne des § 184 d StGB, wenn er nicht in der Lage ist, auf die Dauer und die Modalitäten einer Live Übertragung im Sinne einer Tatherrschaft Einfluss zu nehmen.

Die Strafkammer des Landgerichts hat sich nicht mit der Frage befasst, ob der Angeklagte überhaupt als tauglicher Täter dieses Delikts in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift wird nach §§ 184 bis 184 c StGB nämlich nur bestraft, wer eine pornografische Darbietung durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet (§ 184 d Satz 1 StGB). Bereits der gesetzliche Wortlaut der Vorschrift deutet darauf hin, dass als Täter dieses Delikts nur der für die Sendung Verantwortliche in Betracht kommt, im Hinblick auf Rundfunksendungen vor allem der Programmdirektor und der Redakteur, nicht aber die lediglich mit der technischen Ausführung betreuten Personen wie etwa der Kameramann. Gleiches gilt für Übertragungen im Internet.

Insoweit kommt nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift als Täter vor allem für die Ausstrahlung der Sendung verantwortliche Anbieter des Dienstes in Betracht, nicht aber Personen mit lediglich mittelbarem Bezug wie Autoren, Produzenten und Regisseure (vgl. MüKo-Hörnle, 1. Auflage 2012, § 184 d Rn. 9 m.w.N.; Schönke/Schröder/Eisele, StGB , 29. Auflage 2014, § 184 d Rn. 8). Dies gilt nach Ansicht des Senats vorliegend auch für den Angeklagten als einfachen Nutzer des Internet-Chatrooms, der aufgrund seiner Stellung nicht in der Lage war, auf die Dauer und die Modalitäten der Internet-Ausstrahlung im Sinne einer Tatherrschaft in irgendeiner Weise Einfluss zu nehmen, vielmehr oblag diese Kontrolle vollumfänglich dem Betreiber des Netzwerkes bzw. allenfalls der von diesem eigens eingesetzten Moderatorin. Da diese Personen mit der pornografischen Handlung des Angeklagten nicht einverstanden waren und ihn sogleich vom Netz nahmen, scheidet auch eine Ahndung unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe aus.

Soweit es die von der Staatsanwaltschaft im Strafbefehl angenommene Bewertung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Erregung öffentlichen Ärgernisses nach § 183 a StGB betrifft, wird sich das Landgericht jedoch mit der Frage des Vorliegens dieser Norm vor allem in subjektiver Hinsicht neu zu befassen haben.

Gericht:
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 29.03.2016 - 1 (3) Ss 163/15

OLG Karlsruhe
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