Die Angeklagte fühlte sich durch eine ausgestellte Collage in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Bei einer Änderungen eines einzelnen Buchstabens würde der Schriftzug "Nieder mit Allah" lauten. Sie griff zur Schere und schnitt die von ihr beanstandete Stelle aus der Collage heraus.

Wie aus dem Beschluss (5 RVs 7/15) des OLG Hamm hervorgeht, erlaubt die in Art. 4 Grundgesetz garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit jedenfalls dann keine Sachbeschädigung, wenn eine Glaubens- und Gewissensentscheidung auch straffrei umgesetzt werden kann.

Der Sachverhalt

Die in Marokko geborene Angeklagte befand sich in der Bibliothek der Universität Duisburg-Essen, um dort an ihrer Promotion zu arbeiten. In der Bibliothek waren mehrere von Studenten hergestellte Collagen ausgestellt. Eine Collage bestand in erster Linie aus Bildern und Texten des Comicromans "Exit wounds" der israelischen Autorin Rutu Modan.

Auf der Collage befand sich unter der Überschrift "rutu modan exit Wounds" der Schriftzug "Terror as usual". Abgebildet wurde eine Straßenszene mit Personen, die Schilder hielten. Auf einem der Schilder war "Stop the occupation" zu lesen. Ein anderes Schild mit arabischen Schriftzeichen wurde in einen Sack gesteckt. Die Angeklagte meinte, dieses Schild zeige nicht - wie bei flüchtigem Lesen denkbar - die Worte "Beendet die Besatzung", sondern trage - bei der Veränderung nur eines Buchstabens - den Text "Nieder mit Allah".

Die Angeklagte fühlte sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Sie verlangte die Entfernung dieser Collage. Dies lehnte der Bibliotheksmitarbeiter ab, bot jedoch an, die beanstandete Stelle mit einem Stück Papier zu überkleben. Das Überkleben wartete die Angeklagte jedoch nicht ab. Sie ergriff eine Schere und schnitt die von ihr beanstandete Stelle aus der Collage heraus.

Für diese Sachbeschädigung verurteilte das Amtsgericht Essen die Angeklagte wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 400 Euro. Die Berufung der Angeklagten gegen dieses Urteil verwarf das Landgericht Essen als unbegründet.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (5 RVs 7/15)

Die eingelegte Revision wurde als unbegründet verworfen. Die Collage sei Bestandteil einer öffentlichen Sammlung im Sinne von § 304 Strafgesetzbuch, so dass ihre Beschädigung als gemeinschädliche Sachbeschädigung zu bestrafen sei. Aus dem Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit könne die Angeklagte weder einen Rechtfertigungsgrund -noch einen Entschuldigungsgrund für ihr Handeln ableiten.

Handelte jemand aufgrund einer Glaubens- und Gewissensentscheidung in strafbewährter Weise, so könne er nicht straffrei bleiben, wenn er die Möglichkeit gehabt habe, seine Glaubens- und Gewissensentscheidung straffrei umzusetzen. Diese Möglichkeit habe die Angeklagte gehabt. Ihr sei von dem angesprochenen Bibliotheksmitarbeiter angeboten worden, die beanstandete Stelle der Collage zu überkleben. Damit habe die Angeklagte ihr Ziel, den anstößigen Teil der Collage unkenntlich zu machen, auch in strafloser Weise erreichen können.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 26.02.2015 - 5 RVs 7/15

OLG Hamm
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