Das OLG Celle hat mit Beschluss (AZ. 10 UF 183/14) den Unterlassungsanspruch einer 14-jährigen Jugendlichen gegen einen 79-jährigen Rentner bestätigt, der im Frühjahr 2014 wiederholt Begegnungen mit der Jugendlichen provozierte, u.a. auf ihrem Schulweg. Das OLG baut den Schutz vor Stalking aus.

Der Sachverhalt

Der Rentner war bereits mehrfach wegen Vergewaltigung (erstmals in den 1960er Jahren) und in einem Fall wegen sexueller Belästigung eines Kindes vorbestraft. Seit 2002 befand er sich in Sicherungsverwahrung. Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Rechtswidrigkeit des deutschen Systems der Sicherungsverwahrung wurde er vorzeitig und unter Führungsaufsicht entlassen. Ihm wurde die Weisung erteilt, keinen Kontakt zu Kindern aufzunehmen.

Rentner lauert Schülerin auf

Im Anschluss lauerte der Rentner jedoch bereits im Jahre 2012 der hier betroffenen Antragstellerin in der Nähe ihrer elterlichen Wohnung auf dem Schulweg auf und drängte ihr seine Zuneigung auf, weshalb er noch im Jahre 2012 wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht rechtskräftig verurteilt wurde.

Rechtsfrage: Kann für die Schülerin eine Schutzzone eingerichtet werden?

In der jetzt entschiedenen aktuellen Situation ging es darum, ob zugunsten des Opfers zivilrechtlich und mit Hilfe des Gewaltschutzgesetzes weiträumig eine Schutzzone eingerichtet werden kann.

Entscheidung: OLG Celle (AZ. 10 UF 183/14) baut Schutz vor Stalking aus

Das OLG Celle folgte der Gewaltschutzverfügung des Amtsgerichts Hannover und hat dem Rentner untersagt, sich dem Mädchen auf eine Entfernung von weniger als 50 m zu nähern, sich in der Wohnstraße des Mädchens aufzuhalten und zudem den Schulweg zu bestimmten Zeiten sowie die U-Bahn Haltestelle, die das Mädchen regelmäßig nutzt, aufzusuchen. Auch wurde dem Rentner untersagt, den in der Nähe des Wohnhorts des Mädchens befindlichen Einkaufsmarkt zu den aufgeführten Zeiten zu nutzen, da das Mädchen diesen Markt zu diesen Zeiten besonders häufig aufsucht.

Präventivmaßnahmen: Einzelne Anordnungen und Verbote können ausgesprochen werden

Das OLG Celle hat weiterhin bestätigt, dass einzelne Anordnungen und Verbote ausgesprochen werden können, auch wenn ein Täter in der Vergangenheit noch nicht dagegen verstoßen hatte. Dass der Täter dieses Verhalten bereits gezeigt habe, sei nicht von Bedeutung, sondern es komme lediglich darauf an, ob die gerichtliche Anordnung wirkungsvoll eine zukünftige Belästigung verhindern könne. Zur Abwehr einer drohenden Belästigung seien alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen bei der Beschreibung eines geschützten Umkreises möglich.

Der Rechtsschutz wird in zwei Richtungen ausgebaut

1. Die Gerichte haben einen weiten Ermessensspielraum, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Opfer vorzugeben. Im vorliegenden Fall konnte das Gericht also zu Recht den Umkreis um Wohnort und Schulweg des Mädchens weit abstecken, um dem Rentner ein Abpassen des Mädchens so schwer wie möglich zu machen.

2. Für eine Anordnung des Gerichts kommt es nicht auf eine Wiederholungsgefahr an. Für das Gericht in Hannover war es unerheblich, dass der Rentner das Mädchen zuvor nie im Bereich der U-Bahn-Haltestelle angesprochen hatte. Die Anordnung, eine bestimmte U-Bahn-Haltestelle nicht zu nutzen, ist allein deshalb rechtmäßig, weil die Haltestelle in Zukunft von dem Mädchen genutzt wird und der Täter problemlos ausweichen kann.

Keine ausschlaggebende Rolle spielte der Umstand, dass der Täter zuvor aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden war. Das Gewaltschutzgesetz schützt Opfer von häuslicher Gewalt und von Stalking unabhängig davon, ob die Täter vorbestraft sind oder nicht. Entscheidend ist die aktuelle Bedrohungslage.

Gericht:
Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 27.08.2014 - 10 UF 183/14

OLG Celle
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