Ein 75 jähriger Mann hat beim Zurücksetzen aus einer Parklücke einen vierjährigen Jungen, dessen Mutter und einen weiteren Verwandten über- bzw. angefahren. Nun wurde er wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.

Der Sachverhalt

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme parkte der Angeklagte mit seinem automatikgetriebenen Pkw unachtsam rückwärts aus. Beim Zurücksetzen geriet er mit dem linken hinteren Reifen des Fahrzeugs in eine leichte Senke, sodass etwas mehr Motorkraft erforderlich war, um wieder anzufahren. Da der mit seinem Fahrzeug noch halb in der Parklücke befindliche Angeklagte nur eingeschränkte Sicht zur Seite hatte, hätte er sich langsam aus der Parklücke heraustasten bzw. sich von einem Dritten herauswinken lassen müssen.

Tatsächlich hat er jedoch deutlich zu stark beschleunigt. Das Fahrzeug schoss aus der Parklücke mit einer Geschwindigkeit von etwa 15 km /h heraus und kollidierte nach etwa drei Sekunden mit einer Personengruppe, die keine Chance mehr hatte auszuweichen. Der vierjährige Junge und seine Mutter gerieten unter das Fahrzeug, der Onkel des Jungen wurde zur Seite geschleudert. Das Kind wurde durch die Kollision tödlich verletzt. Seine Mutter und sein Onkel erlitten zum Teil schwere Verletzungen.

Schutzbehauptungen des Angeklagten

Die Einlassung des Angeklagten, er habe beim Ausparken plötzlich einen Krampf im rechten Bein sowie anschließend eine kurze Bewusstseinseintrübung erlitten, bewertete das Gericht als Schutzbehauptung. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Angeklagte gegenüber keinem der Polizeibeamten, Feuerwehrleute, Sanitäter und Ärzte am Unfallort einen Krampf o.ä. erwähnt habe. Insbesondere aber habe der in der Hauptverhandlung befragte medizinische Sachverständige ausgeführt, er sehe den vom Angeklagten beschriebenen Geschehensverlauf als extrem unwahrscheinlich an. Es gebe keine medizinischen Indizien für einen Krampf oder eine Bewusstlosigkeit.

Die Entscheidung


Zur Strafzumessung führte die Vorsitzende Richterin aus, es gebe nichts, was den Verlust der Eltern aufwiegen könne. Keine Strafe erscheine angesichts ihres Leids angemessen. Das Gericht müsse jedoch die Strafe an der Schuld des Angeklagten, an dem Maß der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens orientieren. Strafschärfend sei hier zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich bei dem unkontrollierten Beschleunigen in hohem Maße pflichtwidrig verhalten habe. Andererseits falle ins Gewicht, dass es sich um ein fahrlässiges Augenblicksversagen gehandelt habe.

Der Angeklagte sei nicht vorbestraft und auch straßenverkehrsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten. Er leide selbst erheblich an den Folgen seiner Tat, habe sich nach dem Erhalt von Drohbriefen und Flugblättern, in denen er als Kindermörder bezeichnet wurde, in stationäre psychiatrische Behandlung begeben. Er habe zudem auf seine Fahrerlaubnis verzichtet.

Nach Abwägung aller Umstände erachtete das Gericht eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten als angemessen. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat das Gericht zur Bewährung ausgesetzt, da auch ohne die Einwirkung der Strafvollstreckung davon ausgegangen werden könne, dass der Angeklagte nicht erneut straffällig werde.

Gericht:
Amtsgericht Hamburg - St. Georg

Quelle: AG Hamburg PM 25.11.2011
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