Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass es für einen erwachsenen, gesunden Leistungsempfänger zumutbar ist, ein- bis zweimal täglich eine Wegstrecke von weniger als 10 km mit dem Fahrrad zur Arbeit zurückzulegen.

Der Sachverhalt

Zugrunde lag der Fall eines 28-jährigen Mannes. Er wohnt in der Bremer Innenstadt und absolviert eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann in einem Einkaufszentrum im Bremer Umland. Den 35 km langen Weg zur Arbeit fuhr er bislang mit dem Auto seines Vaters. Dieser war nun selbst auf den Wagen angewiesen.

Antrag auf Fördergeld für Fahrzeug

Eine Fahrzeugfinanzierung durch Bankkredit war wegen der Privatinsolvenz des Mannes nicht möglich. Deshalb stellte er beim Jobcenter einen Antrag auf Förderung aus dem Vermittlungsbudget gem. § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB III bzw. auf eine freie Förderung nach § 16f. SGB II in Form der Gewährung eines Darlehens i.H.v. 4.500 € für den Ankauf eines seiner Tante gehörenden, ca. ein Jahr alten Pkw.

Dies sei erforderlich, da er im rotierenden Schichtmodell bis 20 Uhr und beim Late-Night-Shopping bis 22 Uhr arbeite. Öffentliche Verkehrsmittel könne er um diese Zeit nicht mehr benutzen. Der örtliche Bahnhof sei 5½ km entfernt und der letzte Bus dorthin fahre um 19 Uhr.

Jobcenter lehnt Antrag ab

Das Jobcenter lehnte eine Förderung ab, da der Mann nicht auf einen PKW angewiesen sei. Er könne den Bahnhof auch mit dem Fahrrad oder mit einer Fahrgemeinschaft erreichen.

Die Entscheidung

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat die Rechtsauffassung des Jobcenters im Eilverfahren vorläufig bestätigt. Dem Antragsteller sei es durchaus möglich und zumutbar, an den Tagen, an denen er bis 20 Uhr oder in Einzelfällen sogar bis 22 Uhr arbeiten müsse, die 5,5 km betragende Fahrtstrecke auf dem Radweg zum Bahnhof mit dem Fahrrad zurückzulegen. Die Strecke habe keine nennenswerten Steigungen oder Gefahren.

Es sei auch nicht zutreffend, dass Grundsicherungsempfänger generell nur auf den ÖPNV verwiesen werden könnten. Auch in den Wintermonaten und nach 20 Uhr sei es für einen erwachsenen, gesunden Leistungsempfänger zumutbar, ein- bis zweimal täglich eine Wegstrecke von weniger als 10 km mit dem Fahrrad zurückzulegen.

Gericht:
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18.09.2019 - L 15 AS 200/19 B ER

LSG Niedersachsen-Bremen
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