Bedarfsgemeinschaft - Ein Abweichen von dem Grundsatz, dass die Aufteilung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bei Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen nach Kopfzahl erfolgt, ist bei Wegfall des Arbeitslosengeldes II eines unter 25jährigen Hilfebedürftigen wegen wiederholter Pflichtverletzung jedenfalls dann geboten, wenn dieser in einer Bedarfsgemeinschaft mit minderjährigen Geschwistern lebt.

In diesem Fall sind die Unterkunftskosten in voller Höhe den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu erbringen, da diese ansonsten unzulässig in "Sippenhaftung" genommen würden mit der Folge drohenden Wohnungsverlusts.


Der Fall:

Der 6. Senat des Landessozialgerichts hat kürzlich einer alleinerziehenden Mutter und ihrem minderjährigen Sohn in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren die vollen Kosten für Unterkunft und Heizung zugesprochen. Ihrem zweiten, 1987 geborenen Sohn war zuvor das Arbeitslosengeld II aufgrund wiederholter Pflichtverletzungen für drei Monate komplett gestrichen worden. Diese Sanktion wirkte sich faktisch auch auf die restliche Familie aus: deren Unterkunftskosten waren nun nur noch zu zwei Dritteln gedeckt, da die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (BAgIS) die Kosten innerhalb der Familie nach Köpfen aufteilte.

Während das Sozialgericht Bremen den Antrag der Alleinerziehenden und ihres minderjährigen Sohnes auf Zahlung auch der restlichen Unterkunftskosten noch abgelehnt hatte, gab das Landessozialgericht der Beschwerde der Antragsteller statt und verpflichtete die Arbeitsgemeinschaft, diese Kosten in Höhe von ca. 200 Euro monatlich zunächst zu übernehmen. Die Antragsteller hätten andernfalls wegen der aufgelaufenen Mietrückstände ernsthaft den Verlust ihrer Wohnung befürchten müssen.

Die Begründung des Gerichts:

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der 6. Senat darauf hingewiesen, dass grundsätzlich zwar Leistungen für Unterkunft und Heizung anteilig (pro Kopf) zu gewähren sind, wenn Hilfebedürftige mit anderen Personen zusammenleben. Besonderheiten können aber ein Abweichen von diesem Kopfzahlprinzip rechtfertigen. In Fällen wie dem vorliegenden liefe ein Festhalten an diesem Prinzip auf eine Sippenhaftung hinaus, die dem Sozialrecht fremd ist. Die mitbetroffenen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft würden ansonsten faktisch für das Fehlverhalten des volljährigen Familienmitglieds mitsanktioniert.

Im entschiedenen Fall können die Antragsteller nach der Überzeugung des Gerichts das Verhalten des volljährigen Sohnes weder rechtlich noch tatsächlich beeinflussen. Die alleinerziehende Antragstellerin hatte glaubhaft gemacht, alles unternommen zu haben, um Einfluss auf dessen Verhalten zu gewinnen. Der erwachsene Sohn verweigert aber weiterhin sämtliche Mitwirkung gegenüber der Arbeitsgemeinschaft.

Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 8. Juli 2009 - L 6 AS 335/09 B ER

Vorinstanz:
SG Bremen - S 9 AS 40/09 ER

Rechtsgrundlagen:
SGB II § 22 Abs 1 Satz 1,
SGB II § 31 Abs 5 Satz 2,
SGG § 144,
SGG § 144 Abs 1,
SGG § 144 Abs 2,
SGG § 172,
SGG § 172 Abs 3 Nr 1 (Fassung 1.4.2008),
SGG § 86b Abs 2 Satz 2

Suchworte: Absenkung, Arbeitslosengeld II, Aufteilung, Bedarfsgemeinschaft, Beschwerde, Beschwerdeausschluss, Beschwerdewert, Familienhaftung, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kopfzahl, Kosten der Unterkunft, Sippenhaftung, Wegfall, einstweilige Anordnung, einstweiliger Rechtsschutz, sozialgerichtliches Verfahren

Herausgeber: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen