Eine Familie wartete geduldig an einem Check-In Schalter, der zumal ihren Flug nach Antalya sowie einen Flug nach Griechenland abfertigte. Nachdem die Familie die Warteschlange überwunden hatte, war es zu spät - das Flugzeug flog ohne die Familie nach Antalya. Die Familie verlangt Minderung und Schadensersatz.
Der Sachverhalt
Die Klägerin buchte für sich, ihren Partner und zwei Kinder eine All-Inclusive-Flugreise nach Side. Im Voucherheft wurde darauf hingewiesen, dass spätestens 30 Minuten vor dem Abflug die Eincheckzeit endet. Der Hinflug sollte am um 14:45 Uhr mit Ankunft in Antalya um 19 Uhr erfolgen.
Am Flughafen wurde gleichzeitig mit dem gebuchten Flug nach Antalya auch ein Flug nach Griechenland abgefertigt. Um ca. 14:20 Uhr kam die Klägerin zu spät am Schalter zum Check-In an die Reihe. Das Flugzeug flog ohne Klägerin und ihre Familie nach Antalya.
Die Klägerin behauptet, alle seien ca. zwei Stunden vor Abflug am Abflugschalter gewesen. Auf dem Bildschirm vor dem Check-In sei lediglich der Name der Fluglinie angegeben gewesen. Die Klägerin und ihre Familie hätten sich an der dort befindlichen Warteschlange angestellt, die zu drei Schaltern führte.
Sie seien davon ausgegangen, dass sämtliche Wartenden das gleiche Ziel hätten. Sie hätten weder gehört, dass sie aufgerufen worden seien, noch seien sie darauf hingewiesen worden, dass man nicht mehr einchecken könne, wenn man nicht an der Schlange vorbeigehe. Es sei auch keiner aus der Schlange heraus nach vorne gegangen.
Durch den verpassten Flug hätten sie einen neuen Flug ab Berlin-Tegel buchen müssen. Die Nacht hätten sie in Leipzig bei Verwandten auf dem Fußboden geschlafen. Am nächsten Tag seien sie mit dem Zug nach Berlin gefahren, um von dort über Istanbul nach Antalya zu fliegen. Erst zwei Tage später gegen 3:00 Uhr sei man im Hotel angekommen.
Die Zeugin der Reiseveranstalterin gab an, dass etwa eine Stunde vor dem Abflug die Passagiere für den Flug nach Antalya aufgerufen worden sein müssten, um sie vorzuziehen. Die Klägerin müsse unaufmerksam oder zu spät gewesen sein.
Die Entscheidung
Die zuständige Richterin am Amtsgericht München (Urteil, Az. 154 C 2636/18) gab der Klägerin in weiten Teilen Recht und sprach der Klägerin Minderung und Schadensersatz in Höhe von 852,03 Euro zu.
Die Art und Weise des geschilderten Aufrufens, indem ein Mitarbeiter an der Schlange entlanggeht und mehrmals laut ruft, sei nicht geeignet, um sicherzustellen, dass alle Fluggäste hiervon Kenntnis erlangen. Es ist davon auszugehen, dass die wartenden Personen in der Schlange am Check-In-Schalter sich auch miteinander unterhalten, während sie warten und dass deshalb ein gewisser Geräuschpegel herrscht.
Die ausrufende Person müsste dementsprechend sehr laut rufen, um sämtliche anderen Geräusche zu übertönen. Es ist auch möglich, dass Reisende für die kurze Zeit des Aufrufs unaufmerksam sind. Die volle Aufmerksamkeit auf das Geschehen vor sich in und neben der Warteschlange während der hier 1,5 Stunden dauernden Wartezeit zu richten, kann von keinem Reisenden verlangt werden.
Durchsage per Lautsprecher
Die Fluggesellschaft hätte entweder durch eine Durchsage per Lautsprecher oder durch ein Ansprechen aller Wartender in der Schlange sicherstellen müssen, dass alle Reisenden die Information erhalten. Es kann auch nicht von den Fluggästen erwartet werden, dass diese alle wissen, dass es auch sein kann, dass zwei Flüge gleichzeitig abgefertigt werden, und dass sie an der Warteschlange vorbeigehen - ein sozial zumeist unerwünschtes Verhalten - um bevorzugt eingecheckt zu werden. Diese Erwartung hat selbst die Fluggesellschaft nicht, da sie ansonsten gar keine Aufrufe machen würde.
Das Gericht hält dementsprechend eine Minderung in Höhe eines Tagesreisepreises in Höhe von 205,64 € (2.262,- € : 11 Tage) für angemessen. Die Richterin sprach ebenfalls in Höhe von 205,64 € Ersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zu. Sie minderte jedoch den daneben geforderten Ersatz der durch den Ersatzflug entstandenen Schadens von insgesamt 881,50 Euro um 50 %.
Mitverschulden der Klägerin
Die Klägerin trifft ein erhebliches Mitverschulden daran, dass sie zu spät zum Check-In am Schalter eintraf. Selbst wenn die Beklagte bzw. die Fluggesellschaft keinen hinreichenden Aufruf für den Flug nach Antalya vorgenommen hat, hätte die Klägerin selbst tätig werden müssen, um ein Verpassen des Fluges zu verhindern.
Dem Gericht erscheint es als grobe Sorgfaltspflichtverletzung in eigenen Angelegenheiten, sich sorglos in eine Warteschlange zu stellen und sehenden Auges den gebuchten Flug zu verpassen, ohne auch nur einmal eine Nachfrage zu stellen.
Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 05.10.2018 - 154 C 2636/18
AG München, PM
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