Die Einsichtnahme in Krankheitsakten und Pflegedokumentationen bei Einverständnis des Betroffenen auch durch die Krankenkassen möglich. Das Einsichtsrecht ist kein so höchstpersönliches Recht, dass eine Übertragung auf Dritte unmöglich wäre.

Der Sachverhalt:

Ein 88-jähriger, an fortgeschrittener Demenz mit Desorientiertheit leidender Mann befand sich im Frühjahr 2008 in einem Pflegeheim. Als er wegen eines Schenkelhalsbruches zur stationären Behandlung in einem Krankenhaus aufgenommen wurde, wollte seine Krankenkasse den Verletzungshergang aufklären.

Da der Patient auf Grund seiner Erkrankung keine Angaben machen konnte, gab dessen Betreuer den Unfallerfassungsbogen an das Pflegeheim weiter. Dieses weigerte sich allerdings, Angaben zu machen.

Darauf hin entband der Betreuer das Pflegeheim von der Schweigepflicht hinsichtlich des Vorgangs, bei dem der Patient verletzt wurde und genehmigte die Herausgabe einer Kopie der vollständigen Pflegedokumentation und der Sturzprotokolle an die Krankenkasse.

Das Pflegeheim lehnte eine Einsichtnahme jedoch weiter ab. Das Einsichtsrecht sei ein höchstpersönliches Recht, das nur dem Patienten zustehe. Auch nach dem Wille des Gesetzgebers gebe es nur eine sehr beschränkte Informationspflicht der Heime gegenüber den Krankenkassen.

Der zuständige Richter des AG München gab der Krankenkasse jedoch Recht:

Zunächst stehe der Anspruch auf Einsicht in die Dokumentationen dem Patienten selbst zu. Dieser Anspruch ergäbe sich aus dem Recht des Patienten auf Selbstbestimmung. Im vorliegenden Fall sei dieser Anspruch wirksam auf die Krankenkasse übertragen worden.

In der Entbindung von der Schweigepflicht und der Genehmigung der Herausgabe der Unterlagen durch den insoweit berechtigten Betreuer liege die Abtretung des Anspruchs.

Das Einsichtsrecht sei auch kein so höchstpersönliches Recht, dass eine Übertragung auf Dritte nicht möglich sei. Oftmals würde gerade ein Interesse des Patienten bestehen, das Einsichtsrecht durch Dritte mit medizinischem Sachverstand durchführen zu lassen. Einschränkungen könnten sich zwar im Einzelfall ergeben, wenn besondere Geheimhaltungsgründe der Übertragung entgegenstünden. Dies sei aber hier nicht der Fall. Der Betreuer habe im Namen des Patienten gerade auf die Geheimhaltung verzichtet. Auch das Heim würde durch die Einsichtnahme nicht besonders belastet. Der Inhalt der Auskunft ändere sich nicht, nur die Person des Auskunftsberechtigten. Auch dass das Einsichtsrecht eventuell zu Schadenersatzansprüchen seitens der Krankenkasse führen könnte, lässt das Einsichtsrecht nicht entfallen. Schadenersatzansprüche würden eventuell auch auf Seiten des Patienten bestehen. Eine ungebührliche Benachteiligung des Heimes durch die Übertragung des Einsichtsrechts sei daher nicht gegeben.

Aus den sonstigen sozialrechtlichen Normen sei auch der Wille des Gesetzgebers nicht erkennbar, dass der Krankenkasse grundsätzlich eine Einsichtnahme verwehrt wäre. Auch in anderen Regelungen seien Mitteilungspflichten normiert.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gericht:

AG München, Urteil vom 24.2.2009, AZ 282 C 26259/08

Quelle: Pressemitteilung des Amtsgerichts München
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