Auch in einem wenige Zentimeter großen handschriftlich beschriebenen Notizzettel kann grundsätzlich ein wirksames Testament liegen. Was aber, wenn ein anderes Testament existiert? Das OLG Braunschweig hat sich mit einem nicht datierten Notizzettel zugunsten einer nicht namentlich bezeichneten Person beschäftigt.

Der Sachverhalt

Ein Ehepaar errichtete ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Eine Schlusserbenbestimmung enthielt das Testament nicht. Die Beteiligte zu 1. begehrt einen auf sie als Alleinerbin lautenden Erbschein aufgrund testamentarischer Erbfolge.

Die Beteiligte zu 1. trägt vor, der Text auf dem Zettel sei von der Erblasserin geschrieben worden; es sei der Wille der Erblasserin gewesen, sie zur Alleinerbin einzusetzen; lediglich aufgrund des frühzeitigen Todes der Erblasserin sei es nicht mehr zur Beurkundung des bereits entworfenen notariellen Testaments gekommen.

Der Zettel:

Wenn sich für mich
A… [Vor- und Nachname]
geb. … [Geburtsdatum]
einer findet, der für
mich aufpasst und
nicht ins Heim steckt
der bekommt mein
Haus und alles was
ich habe
A… [Unterschrift mit Vor- und Nachnamen]

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. In dem Text sei kein Erbe namentlich bestimmt; es sei lediglich festgelegt, welche nicht genannte Person, die noch zu bestimmen wäre, einmal Erbe werden solle. Gemäß § 2065 Abs. 2 BGB könne ein Erblasser eine letztwillige Verfügung aber nicht in der Weise treffen, dass ein anderer zu bestimmen habe, welche Person etwas erhalten solle. Somit gelte die gesetzliche Erbfolge, nach der die Beteiligte zu 1. nicht Erbin sei.

Die Entscheidung

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der Wirksamkeit eines "Notizzetteltestaments" steht – wenn ein anderes Testament existiert – entgegen, dass der Notizzettel nicht datiert ist und sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit seiner Errichtung auch nicht anderweitig treffen lassen (§ 2247 Abs. 5 Satz 1 BGB.).

Fehlendes Datum

Die fehlende Gültigkeit ergibt sich hier aber daraus, dass der Zeitpunkt der Errichtung des gegebenenfalls in dem Zettel liegenden Testaments nicht sicher feststellbar ist und es deshalb möglich ist, dass es zeitlich vor dem gemeinschaftlichen privatschriftlichen Testament errichtet worden ist.

Ernstlicher Testierwille liegt nicht vor

Es muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden, also dass die Erklärung nicht bloß einen Entwurf, eine Ankündigung oder ähnliches darstellt. Bei verbleibenden Zweifeln, wie vorliegend, findet die Vorschrift des § 2084 BGB keine Anwendung.

Auch die Formulierung des Textes auf dem Notizzettel weckt Zweifel am Vorliegen eines Testierwillens: Dass derjenige, der "für mich aufpasst und nicht ins Heim steckt" das Haus der Erblasserin "bekommen" soll, kann auch so verstanden werden, dass die Erblasserin eine Übertragung ihres Hauses schon zu Lebzeiten in Aussicht stellt. Das Wort "erben" oder ein Hinweis darauf, dass das "Bekommen" erst nach dem Tod der Erblasserin stattfinden soll, ist in dem Text nicht enthalten.

Rechtsgrundlagen:
§ 2065 BGB, § 2084 BGB, § 2231 BGB, § 2232 BGB, § 2247 Abs 3 S 2 BGB, § 2247 Abs 5 S 1 BGB, § 2258 Abs 1 BGB

Gericht:
Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 20.03.2019 - 1 W 42/17

OLG Braunschweig
Rechtsindex - Recht & Urteile