Im vorliegenden Fall stürzte eine Bahnreisende beim Einsteigen kopfüber in einen Wagon, weil sich der Boden des Wagons weit unterhalb des Bahnsteiges befand.  Die Bahnreisende verletzte sich und macht Schadensersatz und Schmerzensgeld von insgesamt über 25.000,- € geltend.

Der Sachverhalt

Die Bahnreisende als Klägerin behauptet, der Boden des Wagons habe sich - ohne, dass dies ausreichend kenntlich gemacht war - weit unterhalb des Bahnsteiges befunden. Dadurch sei sie "ins Leere getreten" und kopfüber in den Wagon gestürzt. Die vorhandenen Haltegriffe seien farblich vom Rest des Wagoninnern nicht zu unterscheiden gewesen.

Daher stellten die Haltegriffe auch keine Hilfe dar.  Die Klägerin verletzte sich durch den Sturz und musste mit einem Rettungswagen in ein Hildesheimer Krankenhaus verbracht werden, wo wenig später eine Operation an der Halswirbelsäule vorgenommen wurde. Die Klägerin macht Schadensersatz und Schmerzensgeld von insgesamt über 25.000,- € geltend.

Die Beklagte wendet ein, der Höhenunterschied zwischen Bahnsteig und Wagonboden habe lediglich 18cm betragen. Dies sei in Verbindung mit den vorhandenen Einstiegshilfen (Haltegriffen) nicht gefährlich. Zudem befinden sich an den Einstiegstüren Hinweisschilder, die vor dem Höhenunterschied warnen.

Die Entscheidung

Die 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim (Urteil, Az. 5 O 97/16) hat eine Haftung der Beklagten verneint. Diese habe keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Verkehrssicherungspflichten beschränken sich auf solche Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen zumutbar sind und die ein normal vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schaden zu bewahren. Eine Pflicht zur Vorsorge gegen alle denkbaren Schadensfälle fordert das Gesetz hingegen nicht.

Der Kammervorsitzende hatte sich am Bahnsteig selbst ein Bild von der Örtlichkeit gemacht und festgestellt, dass zwischen Bahnsteig und Wagon tatsächlich ein Höhenunterschied von maximal 15 - 20 cm besteht. Dieser ist nach Auffassung der Kammer nicht derartig gravierend, dass weitere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich wären. Die von der Beklagten an den Eingangstüren angebrachten Warnschilder seien vor dem Hintergrund ausreichend.

Mit Höhenunterschieden zwischen Bahnsteig und Wagon sei - im Übrigen auch bei Wagons anderer Bahnunternehmen - zu rechnen. Sie seien technisch unvermeidbar und daher von jedem Fahrgast hinzunehmen. Jeder muss deshalb beim Einsteigen die gebotene Aufmerksamkeit walten lassen, um nicht zu Schaden zu kommen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und beim OLG rechtshängig.

Gericht:
Landgericht Hildesheim, Urteil vom 07.12.2016 - 5 O 97/16

LG Hildesheim, PM
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