Im folgenden Fall hätte die grob fehlerhafte Rechtsanwendung durch eine deutsche Behörde und zwei deutsche Gerichte fast zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz eines Geschäftsmanns geführt. Glücklicherweise hat das Bundesverfassungsgericht noch rechtzeitig einen Riegel vorgeschoben.

Der Sachverhalt

Nach Mitteilung der Gläser Selenberg Rechtsanwälte PartG wurde ein deutscher Geschäftsmann von einem rumänischem Gericht zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Rumänien versuchte eine Auslieferung zu erreichen, was jedoch am deutschen Grundgesetz scheiterte.

Erst nach Jahren beantragte Rumänien in Deutschland die Vollstreckung des rumänischen Urteils. Es stand die rumänische Vollstreckungsverjährung unmittelbar bevor. Das Oberlandesgericht Stuttgart erklärte die Vollstreckung des rumänischen Urteils für zulässig. Zwischenzeitlich verjährte die Sache nach rumänischem Recht.

Die Staatsanwaltschaft vertrat allen Ernstes die Rechtsauffassung, dass mit Übernahme der Vollstreckung hinsichtlich der Verjährung nicht mehr das rumänische Recht, sondern nunmehr das deutsche Verjährungsrecht gelte. Und danach sei eine Verjährung noch in weiter Ferne. Der Hinweis, dass sich diese Rechtsauffassung nur schwerlich mit der geltenden internationalen Gesetzeslage in Einklang bringe lasse, beindruckte die Staatsanwaltschaft nicht. Leider blieb auch die zuständige Vollstreckungskammer des Landgerichts Ellwangen sowie das Oberlandesgericht Stuttgart als Beschwerdegericht völlig unbeeindruckt. So blieb nur der Weg nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht.

Die Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die angegriffenen Entscheidungen des LG Ellwangen und des OLG Stuttgart den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes verletzen.

Zu der streitigen Frage, welches Recht nun auf die Verjährung anzuwenden sei, führt das Bundesverfassungsgericht aus:

Es kann nicht geltend gemacht werden, dass sich mit der Vollstreckungsübernahme die Frage des Eintritts der Vollstreckungsverjährung ausschließlich nach deutschem Recht richtet und für eine Anwendung von § 57 Abs. 6 IRG kein Raum verbleibt.

Soweit die Gerichte die ausschließliche Anwendung deutschen Rechts zur Feststellung des Eintritts der Vollstreckungsverjährung mit dem Hinweis auf Art. 9 Abs. 3 ÜberstÜbk begründen, steht dem bereits entgegen, dass vorliegend ein Rückgriff auf die Regelungen des ÜberstÜbk nicht in Betracht kommt, da der Beschwerdeführer sich bereits vor seiner Verurteilung in Deutschland aufhielt, es einer förmlichen Überstellung daher nicht bedurfte und er sich der Vollstreckung durch den Urteilsstaat auch nicht durch Flucht entzogen hat (vgl. Art. 2 Abs. 1 ZP ÜberstÜbk; Bock, in: Ambos/König/Rackow, Rechtshilferecht in Strafsachen, 2015, 3. Hauptteil Rn. 450). Damit verbleibt es im vorliegenden Fall bei den Regelungen des § 57 IRG. Insoweit wäre eine Nichtanwendung des § 57 Abs. 6 IRG trotz der Mitteilung des Eintritts der Vollstreckungsverjährung durch eine zuständige Stelle des Urteilsstaates mit dem rechtshilferechtlichen Charakter der Vollstreckungsübernahme nicht zu vereinbaren. Die Mitteilung, dass nach dem Recht des Urteilsstaates Vollstreckungsverjährung eingetreten ist, verweist auf ein dauerhaftes Vollstreckungshindernis und beinhaltet demgemäß den Wegfall der Voraussetzungen für die Vollstreckung im Sinne des § 57 Abs. 6 IRG.

Für den Mandanten hätte die grob fehlerhafte Rechtsanwendung durch eine deutsche Behörde und zwei deutsche Gerichte fast zur Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz geführt, so Rechtsanwalt Gläser. Glücklicherweise hat das Bundesverfassungsgericht rechtzeitig dafür gesorgt, dass die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens in letzter Sekunde wieder die Oberhand gewonnen hat.

Gericht:
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.02.2016 - 2 BvR 2191/13

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