Die Klägerin ließ sich von einem Arzt eine Spirale zur Verhütung einsetzen. Rund zwei Jahre später wurde die Klägerin schwanger und gebar eine gesunde Tochter. Die Klägerin verlangt u.a. den Ersatz von Unterhalts- und Betreuungsleistungen bis zur Volljährigkeit ihrer Tochter.

Der Sachverhalt

Der beklagte Arzt habe im Rahmen der von ihm durchgeführten Ultraschallkontrolle eine bei der Klägerin vorliegende Anomalie einer doppelten Anlage von Vagina und Uterus erkennen und deswegen vom Einsetzen einer Spirale absehen müssen, weil diese bei der Anomalie keine verhütende Wirkung entfalten könne.

Als Schaden haben sie ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro, einen Verdienstausfall von ca. 28.000 Euro und den Ersatz von Unterhalts- und Betreuungsleistungen für ihre Tochter bis zum Eintritt der Volljährigkeit geltend gemacht.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Az. 26 U 2/13)

Dem Beklagten sei kein Befunderhebungsfehler unterlaufen, so das OLG Hamm in seinem Urteil (Az. 26 U 2/13). Er habe alle Untersuchungen vorgenommen, die nach dem einzuhaltenden medizinischen Standard im Zusammenhang mit dem Einsetzen der Spirale geboten gewesen seien. Für die bei der Klägerin vorliegende Anomalie hätten zuvor keine Hinweise bestanden, nach ihr habe der Beklagte nicht fahnden müssen.

Arzt haftet für Diagnosefehler, nicht für Diagnoseirrtum

Der Arzt haftet für Diagnosefehler. Dies ist hier nicht der Fall. Ein Arzt, der aus vollständig erhobenen Befunden einen falschen Schluss ziehe, unterliege einem - für sich allein nicht haftungsbegründenden - Diagnoseirrtum. Dieser stelle erst dann einen haftungsbegründenden Diagnosefehler dar, wenn die Diagnose im Zeitpunkt der medizinischen Behandlung aus der Sicht eines gewissenhaften Arztes medizinisch nicht vertretbar sei.

Hiervon sei im vorliegenden Fall nach den Gutachten der Sachverständigen nicht auszugehen. Dem Beklagten sei nicht vorzuwerfen, dass er die Anomalie der Klägerin nicht erkannt und von einer regelhaften, nur einfachen Anlage ausgegangen sei. Die Anomalie der Klägerin sei extrem selten und wegen der in der Regel eng an der Seitenwand anliegenden trennenden Membran bei einer Spiegelung häufig nicht zu erkennen. Die Bewertung als regelhafte Genitale sei deswegen mangels anderweitiger Umstände nicht zu beanstanden gewesen.

Hinzu komme, dass sich die Klägerin seit langen Jahren in frauenärztlicher Behandlung befunden habe, ohne dass frühere Bildgebungen Anhaltspunkte für die Anomalie ergeben hätten. So habe auch erst der gerichtliche Sachverständige die Anomalie der Klägerin nach einer intensiven Untersuchung diagnostiziert, wobei ihm die Fallgestaltung bereits Anhaltspunkte für eine Anomalie gegeben habe.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 29.05.2015 - 26 U 2/13

OLG Hamm, PM
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