Das Landgericht Aachen hat einen HIV-positiven Mann zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, der ungeschützten Sex mit seiner Lebensgefährtin gehabt hatte, ohne sie über seine Infektion zu informieren. Dabei war es zur Übertragung des Virus gekommen. Das Gericht wertete das Geschehen lediglich als fahrlässige Körperverletzung.

Das Gericht betrat mit seinem Urteil Neuland in der Rechtsgeschichte, so die Deutsche AIDS-Hilfe. Bisher gingen der Bundesgerichtshof wie auch Instanzgerichte in solchen Fällen stets von Vorsatz aus oder nahmen an, die Angeklagten hätten die Infektion ihrer Partner "billigend in Kauf genommen".

Keine Anhaltspunkte für Vorsatz

Der Richter sagte laut dpa, der Angeklagte habe seine Infektion aus Angst vor Verlust der Beziehung verschwiegen und gehofft, seine Partnerin werde sich nicht infizieren. Ein medizinischer Gutachter erklärte, das Übertragungsrisiko sei gering gewesen, da sich im Blut des Mannes nur relativ wenige HI-Viren befunden hätten. Der Angeklagte hatte zudem versucht, seine Partnerin zu schützen, war aber aufgrund der Umstände und seiner Angst gescheitert.

Der Richter sah dementsprechend keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt habe. Der Vorsitzende begann seine mündliche Urteilsbegründung mit den Worten: "Wir haben in diesem Verfahren viel über HIV gelernt."

Erstmals erkennt ein Gericht an, dass man bei der HIV-Übertragung nicht automatisch von Vorsatz ausgehen darf, so der Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe Manuel Izdebski. Fast immer ist - wie in diesem Fall - Angst der Grund dafür, dass Menschen ihre Infektion nicht thematisieren. Dem gilt es Rechnung zu tragen. Das Strafrecht ist dafür kein geeignetes Mittel. Das Gericht hat mit seiner Einschätzung ein wegweisendes Zeichen für eine Veränderung der Rechtsprechung gesetzt.

Das Gericht sprach den Angeklagten bezüglich drei weiterer Vorfälle mit zwei Frauen frei. Da zum Zeitpunkt des Geschehens aufgrund seiner HIV-Therapie keine Viren mehr in seinem Blut nachweisbar waren, konnte er HIV nicht mehr übertragen. Dieser Zusammenhang wurde von Gerichten bisher nicht zuverlässig anerkannt.

Gericht:
Landgericht Aachen

Quelle: Deutsche AIDS-Hilfe e.V.
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