Ein Physiotherapeut darf einen Patienten mit Verspannungen im Bereich des Nackens und des Rückens mobilisieren. Eine Manipulation, das sog. Einrenken, ist einem Arzt vorbehalten. Der Kläger verlangt einen Schadensersatz i.H.v. knapp 200.000 Euro wegen unzulässiger Einrenkmanöver und dessen Folgen.

Der Sachverhalt

Der Kläger litt 2008 unter Verspannungen im Rücken- und Nackenbereich. Die ärztlich verordneten physiotherapeutischen Behandlungen ließ der Kläger in der ortsansässigen Physio-Praxis durchführen. Nach der vierten Behandlung verspürte der Kläger linksseitige Lähmungserscheinungen, die auf einem Hirninfarkt beruhten, weil es zu einer Dissektion (Gefäßwandverletzung) der Arterie vertebralis (Wirbelaterie) gekommen war.

Nach zwei stationären Behandlungen und Rehabilitationsbehandlungen ließ sich der Kläger 2010 vom Tischler zum Groß- und Außenhandelskaufmann umschulen. Von der Beklagten hat er Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld von 110.000 Euro nebst einer monatlichen Schmerzensgeldrente von 100 Euro und den Ersatz materieller Schäden von ca. 85.000 Euro.

Er hat u.a. gemeint, dass er den Schlaganfall erlitten habe, weil die ihn behandelnde Physiotherapeutin ein unzulässiges Einrenkmanöver durchgeführt und dabei die Arterie verletzt habe. Zudem sei er über die Risiken der Behandlung nicht hinreichend aufgeklärt worden.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (26 U 44/14)

Die Schadensersatzklage ist erfolglos geblieben. Auch nach Anhörung eines medizinischen Sachverständigen konnte der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm keine physiotherapeutische Fehlbehandlung in der Praxis der Beklagten feststellen.

Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass er mit einer nur den Ärzten vorbehaltenen Manipulation behandelt worden sei. Die feststellbaren Behandlungsweisen könnten zulässige Mobilisationsbehandlungen gewesen sein, die von der Physiotherapeutin fachgerecht mit einem Probezug, dem Release, begonnen und dann mangels feststellbarer Schmerzäußerungen des Klägers in richtiger Weise fortgesetzt worden sein.

Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen der Behandlung und der Dissektion mit Hirninfarkt belege keine unzulässige Manipulation, weil die Arterie des Klägers bereits vorgeschädigt gewesen sein könne. Der Vorwurf einer fehlenden Aufklärung könne der Beklagten ebenfalls nicht gemacht werden, weil eine gesunde Arterie durch eine Mobilisation nicht geschädigt werden könne und eine Aufklärung deswegen nicht erforderlich sei.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 19.12.2014 - 26 U 44/14

OLG Hamm
Rechtsindex - Recht & Urteile